Stress bekämpfen oder nutzen

Seite

Damit Eu-Stress nicht zu Dis-Stress wird

Stress ist Anspannung und Anspannung kann positiv wirken oder negativ. Positiv wirkt sie, wenn sie zu angenehmer Aktivität führt, negativ wirkt sie, wenn sie angenehme Aktivitäten beeinträchtigt. Während positiv empfundener Stress – Eu-Stress – durchaus stimulieren und bereichern kann, belastet negativer Stress – Dis-Stress – Körper und Psyche.

Stress ist die Verbindung von Anspannungsfaktoren – Stressoren – mit
psychisch-physischen Auswirkungen.

Welche Faktoren und wie viel davon Stress auslösen, ist abhängig von der individuellen Disposition einer Person und ihrer aktuellen Situation. Als Stressoren lösen sie körperliche, emotionale und gedankliche Reaktionen aus und beeinflussen das Verhalten.

Stressoren

  • Arbeitsaufgaben etwa können als Stressoren wirken, wenn sie hohe qualitative oder quantitative Anforderungen stellen und womöglich auf zu geringe Eignung oder mangelnde Berufserfahrung treffen, andererseits können sie eine willkommene Herausforderung sein. Ein gefordertes hohes Arbeitstempo als Stressor kann von einigen als Ermunterung, von anderen als Hektik oder Termindruck empfunden werden. Auch die Art der Aufgabenübertragung kann Stress auslösen – motivierend als Ansporn oder, wenn sie unklar ist, demotivierend als Unlust. Unerwartete Unterbrechungen – etwa durch Telefonate oder Besuche oder auch defekte Arbeitsmittel – können als Stressoren wirken, für die einen es als willkommene Abwechslung, für andere als Störungen. Stressig können Informationen wirken, sowohl zu wenige wie auch zu viele. Berufliche Misserfolge wirken oft als Stressoren – positiv, wenn sie als Möglichkeit gesehen werden, daraus zu lernen, negativ, wenn sie das Selbstvertrauen beeinträchtigen. Fehlen Erholung und Entspannung entsteht schnell Dis-Stress.
  • Als Stressor kann das Betriebsklima wirken. positiv oder negativ. Fachliche Pflichten und Führungsverantwortung können zu Stressoren werden – entweder als Belastung oder als Anreiz. Ebenso können Konkurrenzverhalten unter Mitarbeitern oder Konflikte mit Führungskräften oder Mitarbeitern für manche Antrieb sein, doch für andere hemmend wirken. Ebenfalls können Unterstützung, Anerkennung und Belohnung Stress auslösen – positiv wenn sie erwünscht sind, negativ wenn sie etwa als zu gering oder als übertrieben empfunden werden. Selbst Kritik und Enttäuschungen können sich als Stressoren positiv oder negativ auswirken – als Möglichkeit zu lernen oder als Versagen.
  • Auch aus der materiellen Umgebung können Stressoren wirken, manche nur negativ – zum Beispiel Lärm, Abgase, Sauerstoffmangel oder Umweltgifte –, andere positiv oder negativ – wie ein Wetterumschwung, Kälte oder Wärme. Stressoren, die aus Gefahren oder Notsituationen resultieren, werden meist als negativ empfunden, sind für einige jedoch erstrebenswerte Aufgaben – etwa für Extremsportler oder auch Rettungskräfte.
  • Stressoren können auch aus der sozialen Umgebung entstehen, etwa strukturelle oder räumliche Veränderungen im Unternehmen oder ein Wechsel der Mitarbeiter oder des Aufgabenbereichs, die manche als Belastung und andere als Erleichterung erleben. Das Alleinsein, das einige als Isolation oder Einsamkeit und andere als Entspannung erleben, kann ebenso zum Stressor werden wie soziale Dichte in der Familie oder in anderen Gruppen, was zu konfliktären Auseinandersetzungen führen kann, die einmal zu Spannungsabbau, aber ein anderes Mal zu Spannungsaufbau führt. Ebenfalls kann Gruppendruck zu produktiver Aktivität animieren, aber auch zu Lethargie.
  • Manche Stressoren können von der Person, die sie empfindet, ausgelöst werden. So kann Ernährung zu kulinarischem Genuss werden, doch wenn sie zu ausgiebig oder zu einseitig genossen wird, können negative Effekte eintreten, vor allem wenn sie zur Sucht wird, etwa bei Alkohol, Nikotin, Koffein oder Medikamenten. Auch Schlaf kann als Stressor wirken, einerseits sehr erholsam und Kräfte gebend, andererseits in zu geringem Umfang als Mangelerscheinung. Gleiches gilt für körperliche Bewegung: hilfreich und erquickend in angemessenem Maß, mit negativen Auswirkungen bei zu geringem oder auch zu großem Umfang. Vor allem Emotionen können zu Stressoren werden: als Freude an sozialen Kontakten, Liebe in der Partnerschaft, Begeisterung für Erlebnisse im Positiven, als Angst vor Aufgaben, Misserfolgen oder Tadel im Negativen.

Menschen sind permanent Stressoren ausgesetzt, die sowohl positiv wie auch negativ wirken können.

Stressreaktionen

Wenn Stressoren angenehme Reaktionen – Eu-Stress – hervorrufen, geben sie Kraft oder sie treiben an. Wenn sie jedoch Stressreaktionen – Dis-Stress – auslösen, beeinträchtigen sie reflexhaft Körper, Gedanken, Gefühle und das Verhalten.[1]

Beispiel:

Hat eine Person gegen Feierabend zum Beispiel noch vieles zu erledigen und bekommt von ihrer Führungskraft eine zusätzliche Aufgabe zugeteilt mit der Be­merkung, das Ergebnis werde heute noch gebraucht, können Stressreaktionen entstehen.

  • Körperliche Stressreaktionen: Puls und Blutdruck steigen. Die Muskelspannung nimmt zu. Atemfrequenz und Herzschlag werden schneller. Das Blut gerinnt schneller. Der Körper produziert mehr Schweiß, verdaut langsamer. Die Sexualfunktionen lassen nach. Schwindelgefühle und indifferente Schmerzen belasten. Die Anfälligkeit für Infekte nimmt zu.
  • Mentale Stressreaktionen: Negative Gedanken drängen sich auf, wie „Immer ich.“, „Das schaffe ich nie.“ oder „Ich muss das ganz alleine bewältigen.“ Ergebnisloses Grübeln quält.
  • Emotionale Stressreaktionen: Spontan entstehen entweder Angstgefühle, Beklemmungen oder Resignation, oder es entflammen Aggression, Ärger oder Zorn. Anspannung, Nervosität und Gereiztheit sowie gefühlte Zeitnot und Unruhe etablieren sich und münden in Enttäuschung, Abgespanntheit oder Müdigkeit. Die Gefühlskontrolle schwindet, bei geringsten Anlässen kommt es zu Wutausbrüchen oder Weinattacken. Schließlich bleiben Gefühle der Schwäche und Antriebslosigkeit, Verzweiflung und Depression.
  • Stressreaktionen im Verhalten: Die Konzentration ist gestört, das Denken blockiert. Es kommt zu Flüchtigkeitsfehlern, Vergesslichkeit und Zerstreutheit; Gelassenheit, Übersicht und Planung gehen verloren. Gegenstände werden verlegt. Arbeiten werden hastig und verkrampft erledigt, ohne Pausen. Lernen wird unmöglich. Suchtimpulse nach rauchen oder essen nehmen überhand. Frauen nehmen mehr Beruhigungs-, Aufputsch- und Schlafmittel, Männer trinken mehr Alkohol. Soziale Kontakte werden vermieden, das Zuhören bereitet Schwierigkeiten, die Mimik wird starr. Womöglich stellen sich Appetitlosigkeit und Schlafstörungen ein.

Stressreaktionen können Warnsignale vor einer sich anbahnenden psychischen Krise sein. Anfangs sind sie vielleicht harmlos und unterscheiden sich kaum von normalen Erschöpfungssymptomen.[2] Bei dauerhaften Stressreaktionen werden fortlaufend Stresshormone ausgeschüttet, die das Immunsystem beeinträchtigen und auf lange Sicht zu Organschädigungen führen. Die Neigung zu Migräne, Tinnitus, Hörsturz, Magengeschwüren, Infarkten, Diabetes und Krebserkrankungen steigt.

Den Reflexen der Stressreaktionen lässt sich begegnen durch positiven Umgang mit Stressoren: durch Selbstvertrauen und Zuversicht, mit positiven Erfahrungen in vergleichbaren Situationen und der Suche nach Unterstützung. Schon der Gedanke an ein bevorstehendes angenehmes, lustiges oder fröhliches Ereignis kann Stressreaktionen reduzieren.

Eu-Stress und Dis-Stress

Ob und mit welcher Intensität Stressoren Stressreaktionen auslösen, wird auch von der Einschätzung der Situation und der Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten beeinflusst. Zum Beispiel die Person, die gegen Feierabend noch vieles zu erledigen hat und von ihrer Führungskraft eine zusätzliche Aufgabe zugeteilt bekommt mit der Bemerkung, das Ergebnis werde heute noch gebraucht, kann die Situation neutral, als Eu-Stress oder als Dis-Stress bewerten.

Neutral wäre eine Reaktion mit dem Gedanken:

  • ‚Das mache ich mit Routine.‘
  • ‚Die Aufgabe ist offensichtlich dringlich.‘
  • ‚Mal sehen, wie ich damit fertig werde.‘

Im Eu-Stress bliebe die Person mit Gedanken wie:

  • ‚Eine interessante Aufgabe.‘
  • ‚Gut, dass meine Führungskraft mich ausgewählt hat.‘
  • ‚Eine Herausforderung, die ich meistern werde.‘

In Dis-Stress würde sie kommen mit Gedanken wie:

  • ‚Wie soll ich das bloß auch noch schaffen?‘
  • ‚Ich bin dem Druck nicht gewachsen.‘
  • ‚Jetzt kann ich mich nicht mehr auf den Feierabend freuen.‘

Ist die Anzahl der Stressoren oder ihre Intensität nur gering, führen sie nicht zu Stressreaktionen, sondern ermöglichen oder steigern die Leistungsfähigkeit. Die Anspannung wird als Eu-Stress erlebt. Mit zunehmender Stärke oder Häufigkeit der Stressoren steigt die Leistungsfähigkeit – zunächst. Bei Erreichen einer kritischen Stärke fällt die Leistungsfähigkeit abrupt ab und kann sich bis zur Handlungsunfähigkeit entwickeln. Ein zu niedriges Stressniveau verhindert hohe Leistungsfähigkeit, ein zu hohes Stressniveau hat das gleiche Resultat.

Eu-Stress – euphorisierender Stress – ist der innere Antrieb eines Menschen, etwas zu tun, das für ihn lohnend, nützlich oder sinnvoll ist. Bei wachsender innerer Anspannung steigen Leistungsfähigkeit und Produktivität. Zu hohe Anspannung mündet im Dis-Stress.

Wenn Menschen geringen Stressoren ausgesetzt sind oder sie selbst erzeugen, sind sie im Eu-Stress mit sich im Einklang. Der kritische Punkt des Übergangs vom Eu-Stress zum Dis-Stress findet sich bei jeder Person woanders und verschiebt sich mit den aktuellen situativen Umständen. Wenn der Eu-Stress zum Dis-Stress wird, ist die subjektive Fähigkeit überschritten, Stressoren als positiven Antrieb zu nehmen, die Situation ist nicht mehr erträglich. Der kritische Belastungspunkt kann einerseits durch Stress fördernde Gedanken, andererseits durch geeignete Entspannungstechniken verschoben werden.

Dis-Stress – zerstörerischer Stress – bezeichnet die Belastung, in der die innere Anspannung eines Menschen seine Leistungsfähigkeit und Produktivität ein­schränkt, bis die Stressreaktionen für ihn unerträglich werden.

Neigung zu Dis-Stress

Die Disposition, Stressoren bereits früh als Dis-Stress zu empfinden, lässt sich etwa an der Neigung erkennen, Hilflosigkeit zu empfinden, Kritik zu befürchten, unangenehme körperliche Reaktion zu erwarten, Selbstvorwürfe zu entwickeln oder auch sich selbst zu überfordern.

Die Neigung, Hilflosigkeit zu empfinden, zeigt sich etwa in Gedanken wie:

  • ‚Das schaffe ich nie.‘
  • ‚Ich halte das nicht durch.‘
  • ‚Ich kann doch nichts ändern.‘

Die Neigung, Kritik zu befürchten, zeigt sich etwa in Gedanken wie:

  • ‚Ich werde mich blamieren.‘
  • ‚Man wird mir böse sein.‘
  • ‚Ich werde für einen Angeber gehalten.‘

Die Neigung, unangenehme körperlichen Reaktionen zu erwarten, zeigt sich in Gedanken wie:

  • ‚Ich werde rot werden.‘
  • ‚Ich werde Herzklopfen bekommen.‘
  • ‚Ich werde einen Kloß im Hals spüren.‘

Die Neigung, Selbstvorwürfe zu entwickeln, zeigt sich in Gedanken wie:

  • ‚Das ist wieder mal typisch für mich.‘
  • ‚Ich hätte mich mehr anstrengen sollen.‘
  • ‚Mir gerät auch nichts richtig.‘

Die Neigung, sich selbst zu überfordern, zeigt sich in Gedanken wie:

  • ‚Ich darf andere nicht enttäuschen.‘
  • ‚Mir dürfen keine Fehler unterlaufen.‘
  • ‚Ich muss immer erreichbar sein.‘

Verschärfung

Wenn solche Gedanken als Stressreaktionen auftreten, verschärfen sie den Dis-Stress und gefährden das eigene Wohlbefinden und die eigene Gesundheit. Schließlich können sie zu Burn-out führen. Die Symptome sind auch für Außenstehende deutlich zu erkennen:

  • Jemand, der früher gut vernetzt und integriert war, nimmt an sozialen Aktivitäten kaum mehr teil.
  • Jemand reagiert zunehmend gereizt, neigt verstärkt zu Tränenausbrüchen oder wirkt häufiger teilnahmslos.
  • Jemand äußert sich verstärkt negativ und sarkastisch.
  • Jemand braucht deutlich länger zum Erledigen seiner Aufgaben und fehlt öfter wegen banaler Erkrankungen.

Gefährdung?

Mit einem kleinen Fragenkatalog kann jeder selbst ermitteln, inwieweit die eigene Gesundheit durch Stressoren gefährdet ist:

Frage Ja Manch-
mal
Nein
Regen Sie sich leicht auf? ______ ______ ______
Sind Sie allzu empfindlich? ______ ______ ______
Nehmen Sie alles sehr genau? ______ ______ ______
Sind Sie mit Ihrer jetzigen Situation unzufrieden? ______ ______ ______
Sind Sie leicht missgünstig? ______ ______ ______
Verlieren Sie schnell die Geduld? ______ ______ ______
Können Sie sich schlecht für etwas entscheiden? ______ ______ ______
Haben Sie oft Angst? ______ ______ ______
Leiden Sie unter Eifersucht? ______ ______ ______
Fühlen Sie sich am Arbeitsplatz unentbehrlich? ______ ______ ______
Haben Sie Minderwertigkeitsgefühle? ______ ______ ______
Leiden Sie häufig unter Zeitdruck? ______ ______ ______
Machen Sie sich über vieles Sorgen? ______ ______ ______
Haben Sie keine Freude mehr an Kleinigkeiten? ______ ______ ______
Sind Sie der Umwelt gegenüber misstrauisch? ______ ______ ______
Rauchen Sie mehr als fünf Zigaretten pro Tag? ______ ______ ______
Leiden Sie unter Schlafstörungen? ______ ______ ______
Haben Sie morgens Schwierigkeiten beim Aufstehen? ______ ______ ______
Sind Sie wetterfühlig? ______ ______ ______
Leiden Sie öfter an Halsschmerzen? ______ ______ ______
Haben Sie häufig Kopfschmerzen? ______ ______ ______
Leiden Sie unter Magenbeschwerden? ______ ______ ______
Sind Sie geräuschempfindlich? ______ ______ ______
Haben Sie in aufregenden Situationen feuchte Hände? ______ ______ ______
Haben Sie auch im Ruhezustand einen Puls von über 85 Schlägen pro Minute? ______ ______ ______
Liegt Ihr Körpergewicht um mehr als 10 Prozent über dem Normalgewicht? ______ ______ ______
Haben Sie den Eindruck, Sie bewegen sich nicht genügend? ______ ______ ______

Jedes Ja erhält 2 Punkte, jedes Manchmal 1 Punkt und jedes Nein keinen Punkt, damit die Antworten insgesamt eine Summe für die Auswertung ergeben.

  • Ergibt die Addition 0 — 5 Punkte, führen Stressoren grundsätzlich nur zu Eu-Stress und der Organismus ist äußerst stabil.
  • Ergibt die Addition 6 — 11 Punkte, ergeben sich aus Stressoren manchmal Stressreaktionen, die jedoch gut zu bewältigen sind.
  • Ergibt die Addition 12 —17 Punkte, beeinflussen Stressreaktionen das Wohlbefinden in manchen Bereichen. Ihnen kann durch intensive Arbeit an sich selbst entgegengewirkt werden.
  • 18 — 25 Punkte deuten auf Gefährdung der Gesundheit durch Stressreaktionen. Mit dem Ergründen der Ursachen und durch körperliche Aktivitäten kann sich daraus ergebenden Risiken entgegengewirkt werden.
  • Die Addition auf 26 Punkte und mehr deuten auf ernsthafte Bedrohung der Gesundheit durch Stressreaktionen. Nur konsequente Änderung der Lebensführung – unter ärztlicher Kontrolle des körperlichen Zustands – kann Abhilfe schaffen.
Entspannung mit Selterswasser

Setzen Sie sich bequem hin und schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich etwa 15 Sekunden lang vor, Ihr ganzer Körper füllt sich mit einer wunderschönen, klaren, orangefarbenen Flüssigkeit. Spüren Sie, wie Ihr Körper voller und voller wird, von den Zehenspitzen höher und höher hinauf, bis Sie ganz angefüllt sind mit dieser schönen Farbe …

Nun stellen Sie sich vor, diese Flüssigkeit kann in 30 Sekunden Stressreaktionen aufsaugen. Alle Anspannung, die Sie in Ihrem Körper fühlen, gehen in die Flüssigkeit über. Dabei wird die Flüssigkeit dunkler; je mehr Stressreaktionen sie aufnimmt, desto dunkler und trüber wird sie. – Wenn Sie das Empfinden haben, die Flüssigkeit hat allen Dis-Stress und alle Anspannung aufgenommen, dann malen Sie sich aus, wie sie durch die Zehenspitzen aus Ihrem Körper hinausfließt.

Sie können dabei zusehen, wie die trübe Flüssigkeit aus Ihrem Körper abfließt, bis Sie wieder ganz leer sind …

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie füllen sich in 30 Sekunden ganz mit kühlem, frischem Selterswasser. Lassen Sie es sprudeln und perlen. Spüren Sie, wie das Wasser in Ihrem Körper hochsteigt, bis Sie ganz angefüllt sind mit klarem, glitzerndem, frischem Wasser, mit Energie und Leben …

Recken und strecken Sie sich nun und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder zurück. Behalten Sie das Gefühl der Erfrischung und der Energie. Atmen Sie dreimal tief ein und aus und öffnen Sie die Augen, erfrischt und wach.

Neurophysiologie

Die stressrelevanten Zentren finden sich im Gehirn. Bei Gefahr aktiviert die Amygdala   den Körper über den Hypothalamus. Für differenzie­rende Informationsverarbeitung ist der Hippocampus notwendig. Im präfrontalen Kortex werden Informationen gebündelt; Handlungsplanung und Risikoabschätzung laufen hier ab. – Unter andauernden Stressreaktionen werden der präfrontale Kortex und der Hippocampus geschädigt.

Die Amygdala ist das menschliche Gefahrenabwehrsystem. Bei unmittelbarer Gefahr initiiert sie in Sekundenschnelle Kampf, Flucht oder Starre. Sie lässt Muskelspannung, Herzschlag und Blutdruck steigen sowie die Aktivität des Kortex herunterfahren – und reduziert damit die Fähigkeit nachzudenken. Die Symptome im Verhalten sind schnell erkennbar: hektisches, aufgeregtes Reagieren ohne Plan und Ziel, schnell eskalierende Konflikte, Rückzug und Resignation. Diese automatische Reaktion half den Menschen vor Urzeiten mit Angreifern und unmittelbaren Bedrohungen umzugehen.

Wird die Amygdala vom präfrontalen Kortex nicht oder kaum gebremst, lässt sie starke Stressreaktionen zu. Durch die mangelnde Kontrolle der Emotionen provozieren Stressoren Dis-Stress. Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, sinkt.

Bremst der präfrontale Kortex die Amygdala, reduzieren sich die Stressreaktionen. Durch die Kontrolle der Emotionen provozieren Stressoren eher Eu-Stress. Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, steigt.

Je intensiver der präfrontale Kortex genutzt wird, umso stärker ist sein Einfluss auf die Wirkung der Stressoren – Handlungsfähigkeit und psychische Gesundheit bleiben erhalten. Gestärkt wird die Nutzung des präfrontalen Kortex durch Transparenz:[3]

  • Menschen, die wissen, was auf sie zukommt, werden von Geschehnissen nicht überrascht und nicht überwältigt. Sie können sich orientieren und bewusster mit Stressoren umgehen.
  • Menschen, die einen Sinn im Geschehen erkennen oder herstellen können, können Stressoren und ihre Wirkung plausibel bewerten.
  • Menschen, die auch handeln, wenn sie vielen und intensiven Stressoren ausgesetzt sind, und sich Situationen nicht hilflos ausgeliefert sehen, verbessern ihre Fähigkeit und Bereitschaft, ihren Umgang mit Stressoren zu kontrollieren.

Resilienz

Die effektivere Nutzung des präfrontalen Kortex stärkt die Resilienz – die Fähigkeit, im Eu-Stress zu bleiben. Einige Verhaltensweisen unterstützen die Resilienz:[4]

  • Nicht Schwächenanalyse, sondern Potenzialförderung
    Sich auf eigene Kenntnisse und Fähigkeiten sowie noch wenig genutzte Talente und Möglichkeiten zu konzentrieren festigt die Wirkung des präfrontalen Kortex, etwa mit Antworten auf Fragen wie:

    • Wofür interessieren Sie sich?
    • Worüber lesen Sie am liebsten?
    • Worüber reden Sie am liebsten?
  • Nicht Problemorientierung, sondern Lösungsorientierung
    Stressreaktionen sind Tatsachen, die zwar nicht direkt eliminiert, die aber beeinflusst werden können, und ihre Wirkung ist zeitlich begrenzt. Der Blick in die Zukunft verhindert, von der Gegenwart niedergedrückt zu werden, etwa mit Antworten auf Fragen wie:

    • Was können Sie tun, um mit identifizierten Stressoren positiv umzugehen?
    • Was können Sie aus Ihren Stressreaktionen lernen?
    • Auf welche Strategien, die Ihnen in der Vergangenheit geholfen haben, können Sie bauen?
  • Keine großen Sprünge, sondern kleine Schritte
    Auch das Definieren realistischer Ziele und ihre schrittweise Realisierung stärkt die Widerstandskraft gegen zu starke Wirkung von Stressoren. Das Planen konsequenten Handelns kann dabei helfen:

    1. In zwei Spalten schreiben Sie Ihre Ziele – die beruflichen und die privaten Ziele.
    2. Für jedes Ziel planen Sie realistische Schritte zur Umsetzung.
  • Nicht grübeln, sondern kommunizieren
    Das Sprechen mit anderen über identifizierte Stressoren und die ausgelösten Stressreaktionen aktiviert den präfrontalen Kortex. Im Gespräch ergeben sich erstaunlich viele Möglichkeiten, mit Stressoren umzugehen.

    • Zeigen Sie Mut und Stärke, indem Sie sich Unterstützung holen.
    • Nutzen Sie die Hilfe, die Ihnen angeboten wird.
  • Nicht allein, sondern mit Kontakten
    Das Zusammensein mit anderen gibt Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Mit wenigstens einer Verabredung pro Woche mit sympathischen Menschen lässt sich das persönliche Netzwerk schon hinlänglich pflegen. Impulse dafür können Antworten auf Fragen geben wie:

    • Welche Menschen sind Ihnen wichtig?
    • Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?
  • Keine Schuldzuweisung, sondern Eigenverantwortung
    Jeder ist für seine Emotionen selbst verantwortlich; weder die Umstände noch andere Menschen tragen Schuld daran. Das ist vielleicht eine unbequeme Erkenntnis, doch sie stärkt die Resilienz.

    • Wenn Sie das nächste Mal eine Stressreaktion bei sich bemerken, gehen Sie an die frische Luft und atmen Sie tief durch.

Das Stärken der Resilienz durch den Einsatz des präfrontalen Kortex kann Stressreaktionen bekämpfen, um Stress konstruktiv zu nutzen.

Peter Hilbert

Quellen

[1] Marianne Buch
[2] Ulrich Bahnsen
[3] Rainer Schwing
[4] DKV Impulse