Der Mimik ansehen

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Gefühle und Gedanken im Gesicht gezeigt

„Ich sehe es deinem Gesicht an.“ – Wer hat diesen Satz noch nicht gehört? Gemeint ist, eine subjektive – vielleicht richtige, vielleicht fasche – Interpretation wird mit der Mimik der angesprochenen Person begründet oder bestärkt. Vorausgesetzt wird dabei einerseits, Gefühle, Bewertungen, Gedanken ließen sich im Gesicht ablesen, und andererseits, Gefühle und Gedanken ließen sich nicht hindern, sich im Gesicht zu zeigen.

KommunikationMimik ist untrennbarer verbunden mit mündlicher Kommunikation: als Ausdruck und als Eindruck. Kleinkinder verknüpfen sehr früh Extension und Intension der Mimik: Sie nehmen die Gesichtsausdrücke – oft gleichzeitig mit Äußerungen des Entzückens – der Menschen in ihrem visuellen Umfeld wahr und erleben, wie andere auf ihre, zunächst emotional geprägte, Mimik reagieren.

ExtensionMimik modifiziert die Physiognomie eines Menschen. Als Ausdruck Sprechender stützt oder konterkariert sie unwillkürlich das gesprochene Wort, als Eindruck bei Hörenden löst sie unwillkürlich Deutungen aus. Sie ist äußerst variationsreich und passt zu den Inhalten von mündlichen Äußerungen oder nicht. Auch wer schweigt, zeigt Mimik – vielleicht mit „guter Miene zum bösen Spiel“. Mimik drückt mehr aus, als es Worte allein könnten.

IntensionDie aktuelle Mimik eines Menschen lässt sich schnell interpretieren, allerdings auch schnell fehlinterpretieren. In die Interpretation fließen subjektive Erfahrungen ein – zum Beispiel aus Erlebnissen mit vergleichbaren Situationen oder Personen.

BewegungMimik ist selten völlig starr, sondern entsteht aus dem bewegten Zusammenwirken vieler Gesichtsmuskeln, wobei Mund und Augen besonders ausdrucksstark sind. Sofern die Haare die Mimik nicht verdecken, ist zum Beispiel zu sehen, ob die Stirn glatt bleibt oder sich in Falten legt, ob die Brauen gehoben sind oder zusammengezogen, wie weit die Augen geöffnet sind, ob die Nase gebläht oder gerümpft wird, ob die Wangen aufgeblasen werden oder nicht, ob der Mund geschlossen ist oder nicht, ob die Lippen zusammengepresst werden oder vielleicht gerundet, ob das Kinn vorschoben wird oder nach unten rutscht, ob der Hals gestreckt wird oder gedrückt.

  • KopfHaare
  • Stirn
  • Brauen
  • Augen
  • Nase
  • Wangen
  • Mund
  • Lippen
  • Kinn
  • Hals

Kopfhaltung

Schon die Haltung des Kopfs kann als Signal interpretiert werden, das auf eine Regung hinweist, auch weil aus der Neigung des Kopfs die Blickrichtung auf die anderen Anwesenden resultiert. Vor allem auf größere Entfernung, wenn Einzelheiten der Mimik schwer zu erkennen sind, oder beim ersten Kennenlernen, wenn sehr viele visuelle Informationen zu verarbeiten sind, kann die Kopfhaltung ein vorläufiges Indiz für die Einschätzung geben, zum Beispiel[1]:

  • Senkrecht als Sicherheit
  • Zurückgeneigt als Überheblichkeit
  • Nach unten geneigt als Unsicherheit
  • Nach vorn gestreckt als Engagement.
  • Zur Seite geneigt als Hinwendung

Blicke

Augenfällig registriert wird Mimik, wenn sie als Blick wahrgenommen wird, zum Beispiel als scharfer, ablehnender oder freundlicher Blick. Blicke sind wirkungsmächtig, sie können emotionale Regungen zeigen oder Interpretationen aktueller Gefühle und Absichten auslösen, sie können verführen oder verletzen. Menschen sind gewohnt, Blicke zu deuten:

  • Gesenkt vermeidet ein Blick Kontakt.
  • Von der Seite signalisiert ein Blick ein distanziertes Abschätzen.
  • Ein von Blinzeln unterbrochener oder unsteter Blick lässt Unsicherheit oder Nervosität vermuten.
  • Überzeugend wirkt ein ruhiger Blick.
  • Der Blick hinaus aus dem Fenster zeigt Desinteresse.

AnblickWer das Gesicht eines Menschen aus der Nähe anschaut, dessen Blick ruht nicht lange auf einem Punkt, sondern die Augen suchen das ganze Gesicht der anderen Person ab – besonders konzentriert die Augen und den Mund[2] – als gäbe es in dem Antlitz Wichtiges zu finden und müsste nur entdeckt werden.

DauerIn manchen Situationen fühlt sich ein Blick unangenehm lange an. Der störende Eindruck stellt sich umso später ein, je mehr Menschen im Raum sind, je weiter die blickende Person entfernt ist und je bekannter und sympathischer sie der angeblickten Person ist. Deshalb schauen sich Menschen im Fahrstuhl nie lange an und in öffentlichen Verkehrsmitteln schauen sie niemandem ins Gesicht, sondern möglichst geradeaus. Denn eine fremde Person unverwandt anzustarren wird allzu leicht als Belästigung oder gar Drohung verstanden.

Im Gespräch schauen sich Menschen länger an. Drei bis fünf Sekunden Blickkontakt[3] werden als angemessen empfunden, sofern das Interesse aneinander aufrichtig ist. Außerdem bleibt das Besprochene den Beteiligten besser im Gedächtnis als bei Gesprächen mit weniger Blickkontakt. Der Blickkontakt zeigt: Hier treffen zwei Gleichberechtigte aufeinander, die sich füreinander interessieren. Zusammen mit freundlicher, entspannter Mimik steigen mit dem Blickkontakt der Respekt voreinander, die empfundene Sicherheit und die Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen.

PhasenIm Verlauf eines Gesprächs oder einer anderen Kommunikationssituation entwickelt sich die Art des Blickkontakts:

  1. In der Anbahnungsphase prüfen die Beteiligten den Ausdruck des Blicks der anderen.
  2. In der Ausbauphase intensivieren die Beteiligten ihre Blicke und erzeugen so Aufmerksamkeit und Interesse.
  3. In der Kontrollphase prüfen sie die Resonanz der Wirkung ihrer Blicke, um das weitere Vorgehen zu entscheiden.
  4. In der Überzeugungsphase initiiert ein Blickkontakt die Entscheidung für Zustimmung oder Ablehnung.

Lächeln

WirkungMit einem Lächeln erzeugt der Mund stets positive Wirkung. Menschen fällt schwer, wohlmeinendem Lächeln mit strikter Ablehnung zu begegnen. Ein Lächeln lässt Freundlichkeit und Sympathie entstehen. Es lockert die Stimmung auf und wird als Ausdruck zuversichtlicher Haltung interpretiert. Beim Begrüßen ist das Lächeln ein besonders bedeutsames Signal für freundliche Absichten.

Ein Lächeln ist auch am Telefon zu hören.

DauerAllerdings kann der positive Eindruck ins Negative kippen, wenn das Lächeln zu lange anhält. Es wirkt dann nicht mehr authentisch. – Fortwährendes, unaufrichtiges und aufgesetztes Lächeln ist allzu oft zu beobachten bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Menschen, die immer lächeln, wirken unehrlich.

Miene

Mimik variiert in der Vielfalt, Intensität und Tempo. Ihre Wirkung entsteht aus dem Zusammenspiel aller Gesichtspartien. Zum Beispiel wirkt ein Augenaufschlag von unten nach oben mit wenigen kaum ausgeprägten, angespannten Bewegungen der Miene unsicher und schwach, andererseits wirken offene Augen mit harmonischen Mienenbewegungen sicher und souverän, oder halb geschlossene Augen, die von oben mit gehobenen Brauen und Querfalten auf der Stirn schauen, eher aggressiv oder gar drohend. – Bewegungen der Miene lassen sich als unausgesprochene Regungen deuten:

ZurückhaltungWie zeigt sich Zurückhaltung?

  • Die Stirn zeigt leichte Falten.
  • Die Brauen gehen in der Mitte nach oben.
  • Die Augen sind nicht ganz geöffnet.
  • Der Nasenrücken ist leicht gespannt.
  • Die Wangen bleiben entspannt.
  • Der Mund ist locker geschlossen.
  • Die Lippen liegen aufeinander.
  • Das Kinn ist zurückgenommen.

 

VerschlossenheitWie zeigt sich Verschlossenheit?

  • Die Stirn zeigt leichte vertikale Falten.
  • Die Brauen gehen in der Mitte nach unten.
  • Die Augen vermeiden Blickkontakt.
  • Die Nase bleibt unbewegt.
  • Die Wangen bleiben entspannt.
  • Der Mund bleibt geschlossen.
  • Die Lippen liegen fest aufeinander.
  • Das Kinn ist vorgeschoben.

 

OffenheitWie zeigt sich Offenheit?

  • Die Stirn bleibt glatt, entspannt.
  • Die Brauen gehen etwas nach oben.
  • Die Augen suchen Blickkontakt.
  • Die Nase bleibt entspannt.
  • Die Wangen schieben sich deutlich nach oben.
  • Der Mund lächelt freundlich.
  • Die Lippenwinkel gleiten in Richtung Ohren.
  • Das Kinn bleibt gerade.

 

ÜberheblichkeitWie zeigt sich Überheblichkeit?

  • Die Stirn zeigt Querfalten.
  • Die Brauen gehen weit nach oben.
  • Die Augen schauen von oben, die oberen Lider senken sich.
  • Die Nase wird gerümpft.
  • Die Wangen spannen sich.
  • Die Mundwinkel gehen nach unten.
  • Die Oberlippe bewegt sich hoch.
  • Das Kinn gleitet vor.

 

UnterordnungWie zeigt sich Unterordnung?

  • Vertikale Falten entstehen auf der Stirn.
  • Die Brauen heben sich und ziehen sich zusammen.
  • Die Augen öffnen sich. Die Lider senken sich.
  • Die Nase bleibt entspannt.
  • Die Wangen zeigen Spannung.
  • Die Mundwinkel ziehen sich seitwärts.
  • Die Lippen bleiben geschlossen.
  • Das Kinn tendiert nach unten.

 

AnschaulichkeitWie zeigt sich Anschaulichkeit?

  • Vertikale und horizontale Stirnfalten wechseln sich ab.
  • Die Brauen gleiten hoch und zurück.
  • Die Augen finden Blickkontakt.
  • Die Nase bewegt sich dezent.
  • Die Wangen sind in Bewegung.
  • Der Mund bewegt sich umfangreich.
  • Die Lippen spannen und entspannen sich.
  • Das Kinn bewegt sich.

 

ZornWie zeigt sich Zorn?

  • Auf der Stirn entstehen vertikale Falten.
  • Die Brauen ziehen sich nach unten zusammen.
  • Die Augen öffnen sich, die Lider straffen sich.
  • Die Nasenflügel blähen sich.
  • Die Wangen spannen sich.
  • Der Mund wird schmal.
  • Die Lippen werden aufeinandergepresst.
  • Das Kinn schiebt sich vor.

 

FreudeWie zeigt sich Freude?

  • Die Stirn bleibt entspannt.
  • Die Brauen heben sich.
  • Die Augen werden enger, an den Augenwinkeln entstehen strahlenförmige Fältchen.
  • Die Nasenflügel weiten sich.
  • Die Wangen schieben sich hoch.
  • Die Mundwinkel ziehen sich nach hinten.
  • Die Lippen öffnen sich.
  • Das Kinn spannt sich.

 

AblehnungWie zeigt sich Ablehnung?

  • Auf der Stirnmitte entstehen vertikale Falten.
  • Die Brauen ziehen sich zusammen und senken sich über der Nase.
  • Die Augen sind fast geschlossen.
  • Die Nase wir gerümpft.
  • Die Wangen erstarren.
  • Der Mund ist gespannt geschlossen.
  • Die Lippen werden aufeinandergedrückt.
  • Das Kinn bewegt sich vor.

 

SkepsisWie zeigt sich Skepsis?

  • Die Stirn bildet Querfalten.
  • Die Brauen schieben sich nach oben.
  • Die Augen verengen sich.
  • Die Nase wird leicht gerümpft.
  • Die Wangen gleiten hoch.
  • Der Mund schließt sich gespannt.
  • Die Unterlippe schiebt sich vor.
  • Das Kinn bewegt sich nach vorn.

 

ÄrgerWie zeigt sich Ärger?

  • Vertikale Falten entstehen auf der Stirn.
  • Die Brauen ziehen sich in der Mitte zusammen.
  • Der Blick erstarrt.
  • Die Nase wendet sich der Quelle des Ärgers zu.
  • Die Muskulatur der Wangen spannt sich an.
  • Der Mund wird schmal, die Mundwinkel rutschen nach unten.
  • Die Lippen pressen sich aufeinander.
  • Das Kinn gleitet nach vorn.

 

DesinteresseWie zeigt sich Desinteresse?

  • Die Stirn zeigt kaum Falten.
  • Die Brauen bewegen sich minimal nach oben.
  • Der Blick schweift.
  • Die Nase bleibt ruhig.
  • Die Wangen bleiben entspannt.
  • Der Mund öffnet sich nur zum Gähnen.
  • Die Lippen sind entspannt.
  • Das Kinn bleibt indifferent.

 

NachdenklichkeitWie zeigt sich Nachdenklichkeit?

  • Falten entstehen auf der Stirn.
  • Die Brauen gehen mittig nach oben und zusammen.
  • Der Blick scheint fokussiert.
  • Die Nase wird leicht gehoben.
  • Die Wangen bleiben entspannt.
  • Der Mund bleibt geschlossen.
  • Die Lippen liegen gespannt aufeinander.
  • Das Kinn tendiert minimal nach vorn.

 

AufmerksamkeitWie zeigt sich Aufmerksamkeit? 16-25

  • Die Stirn bleibt nahezu faltenfrei.
  • Die Brauen bleiben stehen.
  • Die Augen richten sich auf das Interessante.
  • Die Nase bleibt entspannt.
  • Die Wangen sind minimal gespannt.
  • Der Mund bleibt meistens geschlossen.
  • Die Lippen liegen locker aufeinander.
  • Das Kinn schiebt sich etwas nach vorn.

 

UnmutWie zeigt sich Unmut?

  • Auf der Stirn entstehen vertikale Falten.
  • Die Brauen rutschen zusammen.
  • Die Augen starren.
  • Die Nasenflügel blähen sich.
  • Die Wangen gleiten nach unten.
  • Der Mund schließt sich fest.
  • Die Lippen pressen aufeinander.
  • Das Kinn schiebt sich vor.

 

GeringschätzungWie zeigt sich Geringschätzung?

  • Horizontale Falten erscheinen auf der Stirn.
  • Die Brauen ziehen sich nach oben.
  • Die oberen Lider öffnen sich weniger weit als die Augen.
  • An den Nasenseiten entstehen Falten.
  • Die Falten neben dem Mund vertiefen sich.
  • Die Mundwinkel ziehen sich leicht nach unten.
  • Die Unterlippe schiebt sich vor.
  • Das Kinn rutscht nach vorn.

 

ÜberraschungWie zeigt sich Überraschung?

  • Horizontale Falten entstehen auf der Stirn.
  • Die Brauen werden gehoben.
  • Die Augen öffnen sich weit.
  • Die Nase schiebt sich nach oben.
  • Die Wangen spannen sich.
  • Der Mund öffnet sich, die Mundwinkel bleiben entspannt.
  • Die Lippen spannen sich.
  • Das Kinn senkt sich.

 

BesorgtheitWie zeigt sich Besorgtheit?

  • Auf der Stirn entstehen horizontale und vertikale Falten.
  • Die Brauen ziehen sich zusammen.
  • Die oberen Lider verengen die Augen.
  • Die Nase hebt sich.
  • Die Wangen spannen sich noch oben.
  • Die Mundwinkel ziehen sich leicht nach unten.
  • Die Lippen dehnen sich.
  • Das Kinn schiebt sich vor.

 

NeugierWie zeigt sich Neugier?

  • Leichte Querfalten erscheinen auf der Stirn.
  • Die Brauen heben sich.
  • Der Blick sucht.
  • Die Nasenflügel weiten sich.
  • Die Wangen gleiten leicht nach oben.
  • Der Mund ist geöffnet.
  • Die Lippen spannen sich zu einem Oval.
  • Das Kinn schiebt sich vor.

 

EntschlossenheitWie zeigt sich Entschlossenheit?

  • Die Stirn ist gespannt.
  • Die Brauen rutschen in der Mitte zusammen.
  • Der Blick fixiert.
  • Die Nase wird von den Wangen gestrafft.
  • Die Wangen drängen nach unten.
  • Außer beim Sprechen ist der Mund geschlossen.
  • Die Lippen pressen aufeinander.
  • Das Kinn schiebt sich vor.

Authentizität

Mimik belebt die mündliche Kommunikation, im Dialog wie im Monolog, aber sie muss passen, das gesprochene Wort unterstützen, ergänzen. Zu viel Mimik schadet der Wirkung ebenso wie zu wenig. Übersteigerte Mimik schadet ebenso wie allzu zurückgenommene. Mimik wirkt durch ihre spontane Natürlichkeit.

Mimik, die nicht aufgesetzt wirkt, sondern harmonisch zu den Inhalten passt, steigert die Überzeugungskraft der sprechenden Person und das Interesse der Zuhörenden. Nur wenn sie authentisch ist, belebt sie die Stimmung.

Der Einsatz der Mimik lässt sich steuern, zumindest indirekt. Wer gewohnt ist, zu viel Mimik einzusetzen, kann sie zurücknehmen. Wer gewohnt ist, zu wenig Mimik einzusetzen, kann mehr zulassen. Wer sich wohlfühlt und anderen positiv begegnet, braucht sich nicht viel um die eigene Mimik zu kümmern, sie wird zur Situation passen.

Peter Hilbert

Literatur

Susanne Dölz. Sich durchsetzen
Paul Ekman. Gesichtsausdruck und Gefühl
Desmond Morris. Der Mensch mit dem wir leben
Horst Rückle. Körpersprache verstehen und deuten
Harald Scherer. Wie Sie durch Ihr Sprechen gewinnen

Quellen

[1] Horst Rückle
[2] Desmond Morris
[3] Harald Scherer