Überzeugen

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Mit plausibler Argumentation

Wer argumentiert, nennt Gründe für einen Standpunkt entweder mit der Absicht, andere mögen seine Gründe nachvollziehen oder verstehen, oder sie mögen sich die Gründe und die Schlussfolgerung daraus zu eigen machen und sich dem Standpunkt anschließen. So verwendet sind Gründe Argumente, die überzeugen sollen.

Ob Gründe als Argumente taugen, ergibt sich aus ihrer Perspektive. Beziehen sie sich auf den Argumentierenden, begründen sie und sind weniger geeignet als wenn sie sich auf Gesprächspartner beziehen.

Um Erfolg zu haben, muss man den Standpunkt des anderen einnehmen und die Dinge mit seinen Augen betrachten.[1]

Die begründende oder argumentierende Perspektive ist oft an der Formulierung zu erkennen: entweder als Begründung im Ich-Stil aus der Perspektive des Argumentierenden oder als Argument im Sie-Stil aus der Perspektive der anderen Seite – zum Beispiel:

Begründungen im Ich-Stil Argumente im Sie-Stil
  • „Mit mehr Entgelt kann ich mein Haus schneller abbezahlen.“
  • „Mit mehr Entgelt binden Sie eine Fachkraft an Ihr Unternehmen.“
  • „Ich verweise auf unsere AGB.“
  • „Das steht in Ihrem Vertrag.“
  • „Ich muss sonst Gebühren von Ihnen verlangen.“
  • „So vermeiden Sie zusätzliche Gebühren.“

Ob und welche Argumente in einer Diskussion, einer Auseinandersetzung, einem Disput oder einem anderen Gespräch anzuführen und wie sie für die Gesprächssituation zu formulieren sind, bestimmt das Überzeugungsziel. Jede Überlegung, die zu einer geeigneten Argumentation führen soll, beginnt deshalb mit dem Definieren des Ziels als einer Aktivität, die der Argumentierende auslösen will: Andere sollen in der von ihm gewünschten Weise denken, fühlen oder sich verhalten.

Sammlung der Argumente

Wer sich für eine Argumentation rüstet, sammelt zunächst Argumente, die seine Meinung stützen, zu seinem Ziel hinführen: Pro-Argumente. Für eine umfassende Vorbereitung werden die Pro-Argumente notiert – und später gewichtet.

Zu einem strittigen Thema, zu dem argumentiert werden soll, sind nicht nur Pro-Argumente denkbar, sondern immer auch Gegen-Argumente, Gründe, die gegen den eigenen Standpunkt angeführt werden könnten. Zur umfassenden Vorbereitung werden auch sie notiert.

Gegen-Argumente mögen noch so stichhaltig sein, sie brauchen eine angemessene Replik: Gegen-gegen-Argumente, die nicht identisch mit den Pro-Argumenten sein müssen. Sie im Vorfeld einer Diskussion zu finden und aufzuschreiben erlaubt, schneller und überzeugender zu argumentieren.

Die dreispaltige Argumentetafel mit Pro-Argumenten, Gegen-Argumenten und Gegen-gegen-Argumenten kann in Disputen oder Wortgefechten den vernünftigen Meinungsaustausch erleichtern, sowohl für das plausible Begründen der eigenen Ansichten wie auch für die Reaktionen auf Gegen-Argumente. Der vorbereitet Argumentierende kann sich auf den Gesprächsverlauf konzentrieren, weil er überlegte Argumente zur Verfügung hat und nicht in der aktuellen Situation nach ihnen suchen muss. Womöglich hat er eine breitere Auswahl an Argumenten, als wenn er unvorbereitet wäre. Beteiligung und Steuerung des Gesprächsverlaufs fallen ihm leichter.

Beispiel für eine Argumentetafel für den Umzug in ein neues Gebäude:

Pro-Argumente Gegen-Argumente Gegen-gegen-Argumente
Repräsentativer Bau Großer Aufwand Erträglicher Aufwand
Exklusive Adresse Hohe Kosten Erschwingliche Kosten
Raum für Wachstum Kein Bedarf Rechtzeitiges Handeln
Moderne Technik Betriebsunterbrechung Irrelevante Auswirkungen
Funktionale Ausstattung Unnötig zu repräsentieren Notwendig wegen

Marktposition

Verkehrsgünstige Lage Lage irrelevant
Zufriedene Mitarbeiter Modernisierung: wäre kostengünstiger Nicht nachweisbar

Beispiel für eine Argumentetafel gegen den Atomausstieg[2]:

Pro-Argumente Gegen-Argumente Gegen-gegen-Argumente
CO2-neutral Kein Endlager Vorhandene Endlager
Billiger Strom Gefahr für Jahrtausende Beherrschbare Gefahr
Umweltfreundlich Sicherere Alternativen Zukunftssicher
Steigender Energiebedarf Mögliche Alternativen Teure Alternativen
Effiziente Produktion Langfristig teuer Langfristig kostengünstig
Platzsparend Unbeherrschbar Beherrschbar
Optisch ansprechend Waffentauglicher Müll Keine Waffentauglichkeit
Gesundheitsgefährdend … nur wenn man es isst

Wer seine Argumente kennt und sich die Argumente seiner Kontrahenten sowie mögliche Antworten darauf vorstellt, kann seine Argumente reflektiert gewichten, sie priorisieren und mit Gelassenheit entscheiden, wann er sie im Gesprächsverlauf einbringt und wie er sie in einem Gesprächsbeitrag kombiniert, und somit auch ihre Wirkung beeinflussen.

Momentum der Argumente

Sollen Argumente überzeugend wirken, sind Zeitpunkt und Reihenfolge, in der sie ins Gespräch eingebracht werden, nicht beliebig. So ist etwa der Argumentationsaustausch am Gesprächsbeginn meist weniger spezifisch als im weiteren Gesprächsverlauf, weil in vielen Gesprächen die Beteiligten anfangs die Positionen zunächst abtasten und erst im weiteren Verlauf Meinungsunterschiede pointieren und für die eigene Meinung beziehungsweise gegen Standpunkte anderer argumentieren.

Außerdem bestimmt die Position der Argumente ihren Effekt: Werden Argumente, die am Beginn eines Gesprächsbeitrags genannt werden, noch gut behalten, werden Argumente, die am Ende eines Beitrags angeführt werden, sogar noch besser behalten; die geringste Wirkung haben Argumente, die von anderen Argumenten eingebettet sind.

Um Argumente wirkungsvoll anführen zu können, der sind zumindest die Pro-Argumente zu priorisieren: Die Argumente mit der voraussichtlich stärksten Überzeugungskraft erhalten die Priorität A, die Argumente, die wohl auch überzeugen, erhalten die Priorität B und die ergänzenden Argumente die Priorität C. Bewertungskriterium für das Priorisieren der Argumente ist das Überzeugungsziel.

Beispiel priorisierter Pro-Argumente zur Zusammenarbeit:

Argumente

Schnellere Realisierung

Höhere Qualität

Qualifizierte Entlastung

Mehr Sicherheit

Know-how-Transfer

Kontinuierliche Bearbeitung

Sicherere Entscheidungen

Schnellere Entscheidung

Prioritäten

A

A

B

B

C

C

C

C

Orientiert sich der Argumentierende am Positionseffekt, wählt er für seine Argumente in einem Gesprächsbeitrag die Prioritätenreihenfolge B–C–A, damit seine Argumente die stärkste Wirkung entfalten. Seine Pro-Argumente zur Zusammenarbeit kombiniert er zum Beispiel zu einer Argumentation:

  • „Durch die Zusammenarbeit sichern Sie sich höhere Sicherheit in der Produktion (Priorität B). Sie ergänzen Ihr Projektteam mit hervorragend qualifizierten Ingenieuren (Priorität C) und realisieren somit Ihr Projekt erheblich schneller (Priorität A).“

Konzept des Gesprächsbeitrags

Damit seine Argumente überzeugend wirken, bettet sie der Argumentierende ein: Mit den ersten Worten seines Gesprächsbeitrags nimmt er seine Argumentationspartner, bildlich gesprochen, an die Hand und führt sie zu seiner Argumentation. Hat er ihnen seine Argumente plausibel vermittelt, fordert er sie zum Schluss mehr oder weniger direkt auf, in der gewünschten Weise zu denken, zu fühlen oder zu handeln. Ohne Einleitung und Schluss würden seine Argumente wie hingeworfen wirken, ohne Überzeugungskraft, nur schwer genießbar.

Das ist wie beim Essen. Wir werfen die Speisen nicht in eine Schüssel und nehmen dann das Gemisch zu uns, sondern wir erfreuen uns an der Speisenfolge.[3]

Ein überzeugender Gesprächsbeitrag hat drei Abschnitte: den situativen Beginn, der zum Zuhören animiert, den argumentativen Hauptteil, der plausible Gründe nennt, und den appellativen Schluss, der zu einer Aktivität auffordert.

Die angemessene Komposition für den prägnanten und überzeugenden Gesprächsbeitrag zu finden verlangt, sie speziell vorzubereiten: Das Konzipieren beginnt – wie die Sammlung der Argumente – mit dem Ziel, dem sich die Angesprochenen anschließen sollen, also mit dem Schlussabschnitt. Inhalt des appellativen Schlusses ist die Absicht, zu der der Gesprächsbeitrag hinführt, der die anderen auffordert, etwas zu tun oder zu unterlassen. Ist erst einmal das Ziel formuliert, dann wird der Weg dorthin erkennbar. Die gedankliche Planung befasst sich erst nach dem Konzipieren des Schlussteils  mit Beginn und Argumentation.

Der zweite Planungsschritt konzentriert sich auf den Beginn des Gesprächsbeitrags, der sich auf die aktuelle Gesprächssituation bezieht – meist als captatio bene­volentiae[4], seltener als schroffer Affront. Der Beginn des Gesprächsbeitrags soll zum interessierten Zuhören bewegen.

Erst der dritte Schritt der Planung wählt die Argumente, kombiniert sie und formuliert sie. Die gewählten Argumente beziehen sich inhaltlich auf die aktuelle Gesprächssituation und verbinden den geplanten Beginn mit dem zuvor geplanten Schluss.

1.  Zunächst den appellativen Schluss definieren.

2.  Danach den situativen Beginn finden.

3.  Anschließend die Argumente auswählen.

Im Gesprächsbeitrag trägt der überzeugend Argumentierende die drei Teile in der Reihenfolge Beginn – Argumentation – Schluss vor.

Situativer Beginn

Mit dem situativen Beginn seines Gesprächsbeitrags eröffnet der Argumentierende seine Psychagogie, seine Seelenführung, sein Einwirken auf seine Kontrahenten: Mit dem situativen Beginn stimmt er seine Gesprächspartner auf die Argumentation ein, die er vorzutragen beabsichtigt.

Für den situativen Beginn wählt der überzeugend Argumentierende einen geeigneten Aufhänger, der ein möglichst anschauliches Bild in der Vorstellung der Gesprächspartner erzeugt, eine Imagination, in der die Gesprächspartner sich selbst sehen. Mit seinem Aufhänger nimmt er Kontakt auf zu seinen Kontrahenten, um sie zu bewegen, seinen Gedanken zu folgen. Der Aufhänger bezieht sich auf die aktuelle Gesprächssituation, auf das soeben Gesagte, auf eine gemeinsame Erfahrung, auf eine bekannte Tatsache oder ähnlich Konkretes. Der Aufhänger vermittelt den Grund, den Anlass des Argumentierenden für seinen Gesprächsbeitrag – vielleicht verbunden mit einem Dank an seine Gesprächspartner.

Beispiele anschaulicher Aufhänger:

  • „Bei unserem Telefonat in der vergangenen Woche …“
    Der Angesprochene sieht sich mit dem Argumentierenden telefonieren.
  • „Sie haben sicher auch in der Zeitung gelesen …“
    Die Gesprächspartner sehen sich Zeitung lesen.
  • „Als ich Ihren Entwurf gelesen habe …“
    Der Mitarbeiter sieht sich den Entwurf schreiben.
  • „Unser Geschäftsführer hat uns gesagt …“
    Der Kollege sieht den Geschäftsführer zu sich sprechen.
  • „Ihre Kollegin hat mich angesprochen …“
    Die angeredete Person sieht die ihr bekannte Kollegin sprechen.

Der situative Beginn bezieht sich zudem auf das Thema der anschließenden Argumentation – zumindest lässt er erkennen, wovon der Gesprächsbeitrag handelt, und veranlasst die Zuhörer, sich mit der Argumentation zu befassen. Er weckt das Interesse an den Argumenten und erzeugt eine spezifische Erwartung an das Kommende. Die Andeutung oder das Nennen des Themas lenkt die Gedanken der Zuhörenden in die vom Argumentierenden gewünschte Richtung.

Um die Aufmerksamkeit auf sich und seine Argumentation zu ziehen, spricht der Argumentierende im situativen Beginn seine Gesprächspartner an – mit Namen oder mit einem Personal- oder einem Possessivpronomen. Mit dem Ansprechen erzeugt der Argumentierende bei den Angesprochenen die Aussicht, dass das Folgende sie persönlich betrifft, zumindest für sie gedacht ist, und fokussiert ihre Achtsamkeit auf sich und seinen Beitrag.

Seine Verbindung mit seinen Gesprächspartnern verstärkt der Argumentierende, indem er auch sich selbst in den situativen Beginn einbringt – womöglich auch mit einem Personal- oder Possessivpronomen. Formuliert er etwa seinen Einleitungssatz mit „wir“ oder „Sie“ und „ich“ oder „unser“, „Ihr“ und „mein“, kann er den Eindruck erwirken, gemeinsam mit seinen Gesprächspartnern den Argumentationsgang zu starten.

Will der Argumentierende nicht in die Konfrontation gehen, sondern diplomatisch, freundlich und höflich seine Gedanken vermitteln, lässt er in seinem situativen Beginn etwas Positives anklingen, das seine Gesprächspartner günstig für seine Ausführungen einstimmt und zu einer positiven emotionalen Haltung zu ihm und seinen Äußerungen führt, die sie dann während seiner Argumentation möglichst beibehalten. Er verwendet positive Adjektive oder Adverbien oder eine positive Interjektion.

Die fünf Kriterien für einen gelungenen situativen Beginn – Aufhänger, Thema, Partner, Selbst, Positives – lassen sich mit wenigen Worten erfüllen, zum Beispiel:

  • „Herzlichen Dank, Frau Perens, für Ihre sehr detaillierte Darlegung; sie war sehr hilfreich für uns.“
    „Darlegung“ ist einerseits der Aufhänger, weil sich alle Gesprächspartner an die gegebene Darlegung erinnern, andererseits weist sie auch auf das Thema; „Ihre“ spricht die Gesprächspartnerin an und mit „für uns“ bringt sich der Argumentierende – mit den anderen Gesprächspartnern – selbst ein; „Herzlichen Dank“ sowie „detaillierte“ und „hilfreich“ sind das Positive.
  • „Für unsere Zusammenarbeit habe ich einen Vorschlag, der Ihnen gefallen wird.“
    „unsere Zusammenarbeit“ ist der Aufhänger, weil sich die Angesprochenen in der Zusammenarbeit wiederfinden; „einen Vorschlag“ gibt Hinweis auf das Thema der Argumentation; „ich“ und Ihnen“ stellt die Verbindung her zwischen dem Argumentierenden und seinen Gesprächspartnern; „der Ihnen gefallen wird“ ist das Positive.
  • „Ihren informativen Bericht habe ich gerne gelesen.“
    „Bericht“ lässt den Gesprächspartner einerseits an sein Erstellen denken, andererseits führt er zum Thema; „Ihren“ spricht den Gesprächspartner an und „ich“ erwähnt den Argumentierenden; „informativen“ und „gerne“ vermitteln positive Emotionen.

Weitere Beispiele für den situativen Beginn:

  • „Im Juli sagten Sie uns, Sie brauchen mehr Kandidaten. Inzwischen haben wir geeignete Bewerber gefunden“
  • „Wenn ich Sie richtig verstehe, wünschen Sie sich einen professionellen Partner.“
  • „An Ihrer Stelle würde ich mir auch einen professionellen Partner wünschen.“
  • „Ich habe verstanden: Sie möchten deutlicher sehen, wie professionell wir arbeiten.“
  • „Sie wünschen sich also professionelle Zusammenarbeit mit uns.“

Auch wenn der situative Beginn in der Praxis nicht sämtliche fünf Elemente enthält, kann er wie beabsichtigt wirken, nur eben nicht so stark. Ist er im Gespräch formuliert, steht er in Spannung mit dem zuvor konzipierten appellativen Schluss des Gesprächsbeitrags.

Appellativer Schluss

Der appellative Schluss des überzeugenden Gesprächsbeitrags enthält das Ziel der Argumentation, die Absicht des Argumentierenden. Der appellative Schluss ist der Zweck der Argumentation, formuliert vielleicht als Aufforderung oder als Bitte, als Hinweis oder Wunsch, als Vorschlag oder als Frage. Der appellative Schluss nennt die Konsequenz, die sich aus der Argumentation ergibt – am klarsten als präziser Handlungsappell an die Gesprächspartner.

Der appellative Schluss ist als Fazit hergeleitet aus den angeführten Argumenten. Damit er seine Wirkung entfalten kann, ist er kurz gehalten; meist reicht ein einfacher Satz. Er enthält die logisch schlüssige Folgerung aus der Argumentation – zweckgerichtet formuliert, oft mit einer finalen oder konsekutiven Konjunktion wie: „deshalb“, „also“, „folglich“, „daher“, „ergo“, „daraus folgt“, „damit“, „um … zu …“

Der appellative Schluss fordert zu einer Aktivität auf, zum Beispiel so:

  • „Also lassen Sie uns das Projekt beenden.“
  • „Deshalb vertagen wir am besten die Entscheidung.“
  • „Folglich ist die zweite Variante langfristig die kostengünstigere.“

Weitere Beispiele für Appelle, die eine Aktion auslösen sollen:

  • „Dafür eignet sich am besten ein Rahmenvertrag.“
  • „Deshalb schlage ich einen Rahmenvertrag vor.“
  • „Am besten ist also ein Rahmenvertrag von einem Jahr.“

Da Menschen sich am ehesten von Gedanken überzeugen lassen, die sie selbst gedacht haben, ist die Handlungsaufforderung im appellativen Schluss oft diplomatisch indirekt formuliert oder als Frage – zum Beispiel:

  • „Was halten Sie davon, über einen Rahmenvertrag nachzudenken?“
  • „Was ist aufgrund dessen die beste Lösung?“
  • „Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?“

Plausible Argumentation

In einem überzeugenden Gesprächsbeitrag schließt die plausible Argumentation die Lücke zwischen situativem Beginn und appellativem Schluss. Sie liefert die Gründe, in der vom Argumentierenden intendierten Weise zu denken, zu fühlen oder zu handeln. Die plausible Argumentation liefert überzeugende Details, Fakten, Folgerungen, Beschreibungen und Inhalte als Argumente mit mehr oder minder umfangreichen Informationen, die wesentlich sind für die sich anschließende Schlussfolgerung.

Auch mit situativem Beginn, plausibler Argumentation und appellativem Schluss sind Gesprächsbeiträge keine Monologe. Zu viele Argumente in einem einzigen Beitrag würden die Gesprächspartner einerseits überfordern oder langweilen, andererseits ihnen zu viele Ansätze bieten für Gegen-Argumente.

Laut empirischer Gedächtnispsychologie kann sich der Mensch bei optimaler Konzentration 7 ± 2 Informationen auf einmal behalten.[5]

Deshalb orientieren sich argumentative Gesprächsbeiträge an der unteren Grenze der menschlichen Behaltensfähigkeit und beschränken sich auf maximal fünf Inhalte oder Gedankenschritte, wobei zwei davon bereits für situativen Beginn und appellativen Schluss reserviert sind. Für die plausible Argumentation bleiben somit nur noch drei argumentative Inhalte übrig. Besteht ein Gesprächsbeitrag aus einer fünfgliedrigen Struktur, können Gesprächspartner ihm gut folgen. Der fünfteilige Aufbau eines Beitrags überfordert nicht, sondern erlaubt den Gesprächspartnern, den Inhalten bequem zu folgen.

Die fünfgliedrige Struktur steht auch in der Tradition der antiken Rhetorik, der Poetik und der Grammatik, wo fünfteilige Ordnungen die Inhalte definieren.
Rhetorik Poetik Grammatik
  • Sammlung
  • Rhythmus
  • Laut
  • Gliederung
  • Versmaß
  • Silbe
  • Gestaltung
  • Reim
  • Wort
  • Aneignung
  • Strophe
  • Satz
  • Vortrag
  • Parallelen
  • Text
Auch die fünf Notenlinien der Musik, die fünf Akte des Dramas oder der fünfglied­rige Syllogismus – These, Begründung, Beleg, Anwendung, Schluss – nutzen die Wirkung fünffacher Aufteilung. Ebenfalls dokumentiert die Gestaltpsychologie die Clusterbildung mit fünf Einheiten.

Plausibles Argumentieren mit der fünfteiligen Struktur des überzeugenden Gesprächsbeitrags leitet vom Bezug auf die aktuelle Gesprächssituation über drei Argumente zur Aufforderung. Es führt die Gesprächspartner von ihren ursprünglichen oder vorläufigen Meinungen zur vom Argumentierenden gewollten Entscheidung, indem es mit nachvollziehbaren, verständlich verknüpften Argumenten überzeugt. Mit der plausiblen Argumentation im Mittelteil des überzeugenden Gesprächsbeitrags erhalten die Gesprächspartner in prägnanten Worten die Auskünfte, die sie brauchen, um der Logik des Argumentierenden zu folgen.

  • Die Argumentation ist nachvollziehbar, wenn sie nicht mehr als drei Gedankenschritte braucht, um das Gemeinte zu zeigen.
  • Die Argumentation ist verständlich formuliert, wenn sie in einfachen Sätzen und in anschaulichen Worten beschrieben und leicht nachzuvollziehen ist.
  • Die Argumentation ist prägnant, wenn sie so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig zum appellativen Schluss hinführt.

Die plausible Argumentation in drei Schritten, eingebettet  zwischen situativem Beginn und appellativem Schluss, gliedert den fünfgliedrigen überzeugenden Gesprächsbeitrag. Auch erleichtert sie dem Argumentierenden das spontane Formulieren und Vortragen seiner Argumente mit einem wirkungsvollen Überzeugungskonzept.

Ergänzende Erläuterungen, Hintergründe, Erklärungen, Ausschmückungen kann der Argumentierende jeweils in einem Exkurs behandeln – in einer gedanklichen Schleife, die wieder an der Stelle mündet, an dem sie gestartet ist. Für die plausible Argumentation sind sie nicht notwendig, vielleicht aber unterstützen sie deren überzeugende Wirkung.

Das Konzept des fünfgliedrigen Gesprächsbeitrags ist denkbar einfach:

  1. Der Gesprächsbeitrag beginnt mit dem situativen Beginn.
  2. Die plausible Argumentation nennt drei Argumente:
  3. Der Gesprächsbeitrag endet mit dem appellativen Schluss.

Plausible Argumentationsstrukturen[6] in Gesprächsbeiträgen unterscheiden sich aufgrund ihrer logischen Verknüpfung der Argumente. Sie wirken als:

  • Aufsatzargumentation
  • Kettenargumentation
  • Berichtigende Argumentation
  • Ausklammernde Argumentation
  • Dialektische Argumentation

Aufsatzargumentation

Die wohl bekannteste Argumentationsstruktur ist die Aufsatzargumentation. Sie ist aufgebaut wie ein Schulaufsatz mit Einleitung – dreigliedrigem Hauptteil – Schluss: situativer Beginn – drei Argumente – appellativer Schluss. Jedes Argument im Hauptteil verbindet logisch eigenständig den situativen Beginn mit dem appellativen Schluss.

Der situative Beginn – mit Aufhänger, Thema, Partner, Selbst und Positivem – leitet den Gesprächsbeitrag ein. Der plausible Hauptteil nennt zunächst ein Argument mit der Priorität B, danach ein Argument mit der Priorität C und anschließend ein Argument mit der Priorität A. Der appellative Schluss – mit Ziel, Logik, Zweck, Kürze, Aufforderung – beendet den Gesprächsbeitrag wenn möglich mit einer Final- oder Konsekutivkonjunktion.

Die Aufsatzargumentation bringt gleichrangig plausible Argumente, wenn auch mit verschiedener Überzeugungswirkung. Weil sie nur Pro-Argumente verwendet, bezieht sie sich ausschließlich auf die Absicht des Argumentierenden und wirkt auf Gesprächspartner weniger diplomatisch, sondern eher massiv.

Die Aufsatzargumentation eignet sich für viele Gesprächssituationen. Einige Beispiele aus unterschiedlichen Situationen können die Struktur der Argumentation verdeutlichen und zeigen, wie sie in eine Formulierung gekleidet werden kann:

  • Die Unternehmensleitung diskutiert, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihres Unternehmens bereits jetzt über den Plan, ein Konkurrenzunternehmen zu kaufen, informiert werden sollen. Einer der Manager wählt für seinen Beitrag die Aufsatzargumentation.

Seinen Gesprächsbeitrag formuliert er so: „Ihre Gründe für das Zurückhalten der Information respektiere ich. Betrachten wir doch bitte auch die Wirkung auf unsere Belegschaft. Erstens brauchen unsere Mitarbeiter die Information, um sich zu frühzeitig auf die Übernahme einzustellen. Zweitens verhindert die Information das Entstehen von Gerüchten. Drittens gibt es Mitarbeiter, die aus der Information hilfreiche Ideen für uns ableiten können. Wenn wir die Informationen veröffentlichen, können wir also nur gewinnen.“

  • Der Vorstand eines Sportvereins bespricht die Auswirkungen des großen Interesses an seinen Ressourcen. Ein Mitglied des Vorstands wählt für die Darstellung seines Standpunkts die Aufsatzargumentation.

Als Kompromiss schlägt er vor: „Ich stimme zu: Wir brauchen eine Aufnahmesperre für unseren Tennisverein – allerdings unter drei Voraussetzungen: Die Plätze müssen optimal ausgelastet sein. Wir dürfen Interessenten nicht vor den Kopf stoßen. Wir dürfen den Nachwuchs nicht vernachlässigen. Das erreichen wir am besten, wenn wir erwachsene Interessenten zunächst als passive Mitglieder aufnehmen.“

  • Nach seinem Vorstellungsgespräch bei einer Event-Agentur ruft der Bewerber den Personalverantwortlichen an. Um ihn von seiner Eignung für die ausgeschriebene Funktion zu überzeugen, wählt er die Aufsatzargumentation.

Er formuliert sein Interesse: „In der vergangenen Woche haben Sie freundlicherweise angedeutet: Sie suchen einen Event-Manager. Sie wollen jemand mit langjähriger Erfahrung. Der Event-Manager soll sich mit Ihrem Unternehmen stark identifizieren. Er soll Sie in Ihrer Arbeit entlasten, also selbstständig arbeiten. Weil diese Eigenschaften genau auf mich zutreffen, frage ich Sie: Wollen Sie mich engagieren?“

  • Ein Bankberater will einem Ehepaar die Finanzierung ihrer Küche verkaufen. Für sein Angebot wählt er die Aufsatzargumentation.

Er schlägt vor: „Für die Finanzierung Ihrer neuen Einbauküche habe ich eine Lösung, die für Sie mehrere Vorteile hat. Sie vereinbaren mit uns eine überschaubare Laufzeit und passen die Raten Ihren momentanen Bedürfnissen an. So behalten Sie die Übersicht und können sicher planen. Die Vereinbarung ist übersichtlich und kostet nur eine geringe Bearbeitungsgebühr. Sie erhalten das Geld sofort. Dadurch können Sie den Barzahlungsrabatt Ihres Küchenhauses nutzen und Sie bezahlen weniger für Ihre neue Küche. Bei diesem Angebot entscheiden Sie sich also für eine kostengünstige Finanzierung, die Ihren Anforderungen in jeder Hinsicht entspricht.“

  • Der Verantwortliche für die Rekrutierung hat sich für einen Kandidaten entschieden und sucht jetzt die Zustimmung seiner Kollegen. Für sein Plädoyer wählt er die Aufsatzargumentation:

Er argumentiert für seinen Vorschlag: „Was spricht für die Rekrutierung des Kandidaten? Er ist vertriebserfahren. Er zeigt Sozialkompetenz. Er passt in unser Gehaltsgefüge. Also sollten wir ihn einstellen.“

Kettenargumentation

In der Kettenargumentation stehen die Argumente nicht nebeneinander, sondern sie bauen aufeinander auf; sie folgen aufeinander logisch oder chronologisch.

Der situative Beginn – mit Aufhänger, Thema, Partner, Selbst und Positivem –, vielleicht als Frage formuliert, leitet den Gesprächsbeitrag ein. Der logisch plausible Hauptteil nennt zunächst ein Argument oder ein Ereignis, auf dem das nächste folgt und danach ein weiteres. Der appellative Schluss – mit Ziel, Logik, Zweck, Kürze, Aufforderung – beendet den Gesprächsbeitrag.

Nicht ihre Priorität, sondern der logische Aufbau der Argumente beziehungsweise die zeitliche Abfolge der Ereignisse bestimmt die Reihenfolge der Argumente. Die Darstellung der Realität ordnet hier die Argumentation.

Auch die Kettenargumentation vertritt ausschließlich die Meinung des Argumentierenden. Sie wirkt plausibel, weil sie den Eindruck einer Beweisführung erzeugt.

Die Kettenargumentation eignet sich für viele Gesprächssituationen. Einige Beispiele aus unterschiedlichen Situationen können die Struktur der Argumentation verdeutlichen und zeigen, wie sie in eine Formulierung gekleidet werden kann.

  • Während einer Projektbesprechung will ein Verantwortlicher die anderen Teilnehmer für den allen bekannten Plan eines Kollegen gewinnen. Er wählt die Kettenargumentation für seine Äußerung:

„Herr Arens hat einen Plan vorgelegt. Der Plan ist gut durchdacht. Der Plan verspricht deshalb Erfolg.Der Erfolg wird unsere Strategie unterstützen. Also lassen Sie uns den Plan realisieren.“

 

  • Ein Kommunikationstrainer instruiert seine Teilnehmer, wie sie die Argumentationsstrukturen planen können. Er nutzt die Kettenargumentation und erläutert:

„Wenn Sie Argumentationsstrukturen einsetzen, beantworten Sie sich bitte drei Fragen: Erstens: Worauf wollen Sie mit Ihrem Beitrag hinaus? Zweitens: Wie können Sie gleich zu Anfang das Interesse Ihrer Gesprächspartner wecken? Drittens: Mit welchen Schritten gelingt Ihnen die Verbindung zwischen Ihrem Beginn und Ihrer Schlussaussage? Am besten Sie strukturieren Ihr Argumentieren mit diesen drei Fragen so oft wie möglich.“

  • Eine Führungskraft unterstützt einen Mitarbeiter bei der Gliederung einer Präsentation. Sie nutzt die Kettenargumentation und erklärt:

„Sie beschreiben zunächst die Ausgangssituation, den Ist-Zustand. Dann nennen Sie das Ziel, den Soll-Zustand, und begründen es. Anschließend sagen Sie, wie Sie vom Ist- zum Soll-Zustand kommen. Danach erklären Sie den Nutzen des Soll-Zustands für Ihre Zuhörer. Schließlich fordern Sie konkrete Maßnahmen, um den Soll-Zustand zu erreichen.“

 

  • Ein Projektverantwortlicher will den Lenkungsausschuss bewegen, einen Dienstleister zu beauftragen. Er formuliert seine Aufforderung als Kettenargumentation:

„Sie haben sich mit dem Thema beschäftigt und legen Wert auf Qualität. Das finde ich gut. Vor zwei Jahren hat das Projekt alle Anforderungen an den Dienstleister definiert. Das Angebot des Dienstleisters erfüllt mehr als 85 Prozent der Maximalforderungen. Die abschließende Beurteilung aller Bewertungskriterien ergab einen deutlichen Qualitätsvorsprung des Dienstleisters gegenüber den Mitbewerbern. Um diese Vorteile zu nutzen, bitte ich Sie, den Dienstleister zu beauftragen.“

  • Der Organisator eines Events will eine gebuchte Location stornieren, ohne Gebühren zu bezahlen. Er nutzt für seine Darlegung die Kettenargumentation und sagt:

„Ich freue mich über unsere gute partnerschaftliche Zusammenarbeit. In der Vergangenheit haben wir schon viele Probleme gemeinsam bewältigt. Heute haben wir das Problem, dass ich ausnahmsweise absagen muss. Doch ich bin überzeugt, wir beide wollen auch in Zukunft partnerschaftlich zusammenarbeiten. Deshalb meine Bitte, auf Stornogebühren zu verzichten.“

Berichtigende Argumentation

Die berichtigende Argumentation konfrontiert die Gesprächspartner mit klarem Widerspruch. Sie bezieht sich auf einen Standpunkt, den sie anschaulich widerlegt, weil sie konkrete Beispiele als Argumente oder plastische Gründe für den Widerspruch anführt. Indem sie die Position, gegen die sie sich wendet, benennt und anschließend widerlegt, behandelt sie zwei Ansichten desselben Themas.

Der situative Beginn stellt die Verbindung her zwischen Argumentierendem und Gesprächspartnern und formuliert pointiert eine reale oder fiktive Position als thematischen Aufhänger. Daran schließt sich die deutliche Einwendung des Argumentierenden an, womöglich ergänzt mit der Position widersprechenden Erfahrungen. Zwei einleuchtende Beispiele stützen dann den Einspruch. Der appellative Schluss negiert als Schlussfolgerung deutlich die Position, der widersprochen wurde.

Die berichtigende Argumentation eignet sich für viele Gesprächssituationen. Einige Beispiele aus unterschiedlichen Situationen können die Struktur der Argumentation verdeutlichen und zeigen, wie sie in eine Formulierung gekleidet werden kann.

  • In einer Gesprächsrunde übertreibt ein Teilnehmer seine Position mit einer unzulässigen Generalisierung. Um zu widersprechen nutzt ein anderer Teilnehmer die berichtigende Argumentation.

Er formuliert seine Gegenrede so: „Herr Arens hat gesagt, alle Menschen denken negativ. Stimmt das wirklich? Herr Morens ist uns allen als unverbesserlicher Optimist bekannt. Auch Frau Scherens aus der Abteilung Personal begegnet uns allen immer positiv. Deshalb ist Herrn Arens Behauptung unsinnig.“

  • Der Kunde eines Bankberaters stört sich an den Kosten seines Kontos. Der Berater will ihm vermitteln, wie preiswert das Konto ist, und nutzt dafür die berichtigende Argumentation.

Der Berater trägt seine Verkaufsargumente vor: „Sie denken jetzt in erster Linie an die Transaktionspreise. Schauen Sie bitte auch auf die Leistungen, die im Pauschalpreis für das Konto enthalten sind: Zum Beispiel ist die Scheckkarte inklusive Zusatzkarten inbegriffen. Außerdem sind das Einrichten, Ändern und Löschen von Daueraufträgen genauso dabei wie die Kontoauszüge, die Sie sich abholen. Insgesamt rechnet sich für Sie der Servicepreis sicher.“

  • Der Führungskreis diskutiert, ob ein Unternehmensbereich ausgelagert werden soll. Im Gespräch zeigt sich die Tendenz, der Ausgliederung nicht zuzustimmen. Ein Verfechter der Vergabe des Bereichs an einen Externen wirkt mit der berichtigenden Argumentation der Tendenz entgegen.

Er stellt als Argumente neue Fakten vor: „Ich verstehe, dass Sie die Leistungen weiterhin im Eigenbetrieb erbringen wollen. Doch mit Sicherheit hatten Sie bei Ihren Überlegungen nicht alle Informationen. Die Dokumentation der vergangenen Monate zeigt: Die Aufgaben des Bereichs sind dramatisch zurückgegangen. Außerdem haben alle Gremien in den vergangenen Wochen der Verlagerung zugestimmt. Stimmern also auch Sie der Ausgliederung zu.“

  • In einem Seminar möchte ein Student das Thema Argumentation beenden. Ein anderer will das Thema weiter behandeln und nutzt für seine Gegenrede die berichtigende Argumentation:

Der Student formuliert seine Widerrede so: „Du meinst also, wir hätten uns genug mit der Argumentation befasst. Der Auffassung bin ich nicht. Wir haben zwar schon viel gelernt, doch einiges will ich schon noch wissen. Zum Beispiel interessiert mich die Gesprächssteuerung. Außerdem will ich noch über persönliche Angriffe mehr erfahren. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir uns weiter mit dem Thema befassen.“

  • Ein gebürtiger Frankfurter widerspricht einem Touristen, dem Frankfurt nicht gefällt, mit der berichtigenden Argumentation:

Der Frankfurter beschreibt seine subjektive Sicht: „Ich höre immer wieder, Frankfurt sei eine hässliche Stadt. Ich empfinde völlig anders: Frankfurt ist eine sympathische Wohnstadt. Die Stadt ist klein und es gibt hier alles, was ein Mensch braucht. Die Frankfurter City ist ein Zentrum mit kurzen Wegen. Deshalb ist Frankfurt für viele eine Stadt zum Sich-wohlfühlen.“

Ausklammernde Argumentation

Die ausklammernde Argumentation nimmt eine Ansicht, die sie nicht weiter verfolgen will, subtil auf. Sie erwähnt sie würdigend und stellt ihr scheinbar gleichwertig die eigene Ansicht gegenüber. Der abzulehnende Aspekt steht neben dem zu unterstützenden. Die ausklammernde Argumentation führt dann allerdings bloß noch den eigenen Gedanken weiter, während sie den abzulehnende Aspekt nicht weiter erwähnt. Sie führt die Gedanken zur Perspektive des Argumentierenden. Sie wirkt scheinbar ausgleichend und damit verführerisch.

Der situative Beginn bezieht sich auf den mit seinem Aufhänger auf den Anlass des Gesprächsbeitrags, auf die Gesprächssituation mit den Beteiligten. Dann folgt eine kurze Bemerkung zu dem Aspekt, den der Argumentierende ablehnt, oft mit einer positiven Bemerkung. Der Aspekt, zu dem argumentiert werden soll, wird als neu danebengestellt. Daran schließt sich ein Argument an, das sich ausschließlich auf den neuen Aspekt bezieht, womit der abgelehnte Aspekt wie in einer Sackgasse steht. Der appellative Schluss fordert kurz und logisch folgernd auf zu handeln oder schlägt eine Entscheidung vor.

Die ausklammernde Argumentation eignet sich für viele Gesprächssituationen. Einige Beispiele aus unterschiedlichen Situationen können die Struktur der Argumentation verdeutlichen und zeigen, wie sie in eine Formulierung gekleidet werden kann.

  • Die Analyse einer Vertriebsaktion kommt zu einem negativen Ergebnis. Ein Teilnehmer der Abschlussbesprechung will die Perspektive wechseln und lenkt das Gespräch mit einer ausklammernden Argumentation weg vom Fehlschlag.

Er steuert das Gespräch: „Wir reden schon eine Weile über die Gründe des Misserfolgs. Bislang drehten sich unsere Gedanken um die Analyse. Wichtig ist doch auch, aus dem Misserfolg zu lernen; damit wir es beim nächsten Mal besser machen können. Ich frage Sie daher: Was haben Sie aus der Aktion gelernt?“

  • Ein Bankberater will einem Kunden ein Produkt zur Altersvorsorge verkaufen. Mit der ausklammernden Argumentation nutzt er geschickt das Zögern seines Kunden, um ihn zu einem weiteren Geschäft zu bewegen.

Er schlägt vor: „Sie überlegen also, wie Sie Ihre Altersvorsorge optimieren können. Sie haben in der Presse gelesen, es sei besser, noch nichts zu entscheiden, weil noch nicht genügend Informationen über die Qualität der einzelnen Modelle vorliegen. Andererseits wissen Sie: Es ist sinnvoll, schon jetzt mit einem monatlichen Betrag Ihre Altersversorgung zu ergänzen. Wenn Sie sich bis Ende des Jahres für einen Vertrag entschließen, können Sie rückwirkend einzahlen und sich so Ihre Steuervorteile sichern. Daher ist es in Ihrer Situation am besten, Sie entscheiden sich jetzt für eine kurzfristige Anlage und klären im November, auf welches Modell zur Alterssicherung Sie sich festlegen.“

  • Ein Versicherungssachbearbeiter telefoniert mit einem Versicherten, um ihn zu bewegen, seine Schadensmeldung zurückzuziehen. Für seine Erklärung nutzt er die ausklammernde Argumentation.

Er empfiehlt: „Können wir noch einmal kurz darüber sprechen, wie Ihre Brille beschädigt wurde? Sie haben in Ihrer Schadensmeldung geschrieben, dass Sie sich auf die Brille gesetzt haben. Jetzt hat ein Gutachter festgestellt, dass der Schaden auf andere Weise entstanden sein muss. Er schreibt: ‚Das stumpfe Einwirken auf das Spezialglas kann nicht zum Splittern geführt haben.‘ Meinen Sie nicht auch, es wäre doch am besten, wenn Sie Ihre Schadensmeldung zurückziehen?“

  • Der Führungskreis diskutiert, ob ein Unternehmensbereich ausgelagert werden soll. Im Gespräch zeigt sich die Tendenz, der Ausgliederung nicht zuzustimmen. Ein Verfechter der Vergabe des Bereichs an einen externen Dienstleister versucht, mit einer ausklammernden Argumentation der Tendenz entgegenzuwirken:

Als Argument führt die Führungskraft Fakten an: „Lassen Sie uns noch einmal über die Auslagerung sprechen. Sie meinen, der Dienstleister könne die Qualität nicht erbringen. Andererseits zeigt die Vorstudie: Der Dienstleister erfüllt alle unsere Ansprüche. Er bietet 85 Prozent unserer Maximalanforderungen und ist 10 Prozent günstiger als die Mitbewerber. Wenn Sie das berücksichtigen, werden Sie doch auch die Beauftragung befürworten.“

  • In einer öffentlichen Diskussion preist ein Vertreter der Chemieindustrie die Segnungen seiner Branche. Für sein Lob nutzt er die ausklammernde Argumentation.

Er würdigt sein Metier: „Wenn über Chemie gesprochen wird, dann wird fast immer die Umweltgefährdung diskutiert. Meist werden nur die Risiken und Nachteile betont. Unterschlagen wird, welche Fortschritte die Chemie uns allen ermöglicht hat. Ohne diese Fortschritte müssten wir auf viele Annehmlichkeiten verzichten. Wir sollten uns einmal mit den neuen Errungenschaften der Chemie befassen.“

Dialektische Argumentation

Die dialektische Argumentation ist die anspruchsvollste Argumentationsstruktur. Sie beginnt freundlich und neutral. Anschließend beschreibt sie eine These und stellt ihr eine Antithese gegenüber. Erst dann, in der Synthese, wird die Position des Argumentierenden erkennbar: Sie vereinigt Vorteile, Interessen oder Gründe von These und Antithese. Der appellative Schluss enthält die auffordernde Folgerung aus der Synthese.

Der situative Beginn bezieht sich auf ein allgemeines Thema oder die aktuelle Gesprächssituation mit bisher genannten oder allgemein anerkannten Einsichten. Die Argumentation beginnt mit dem Benennen einer Ansicht, der These, die nicht die des Argumentierenden ist, gefolgt von einer zweiten Ansicht, der Antithese, der sich der Argumentierende auch nicht anschließt. Doch aus beiden, aus These und Antithese, zieht er dann die Synthese, indem er die Gründe oder die Vorteile beider Ansichten zusammenführt. Der appellative Schluss ist dann die logische Folgerung mit der Aufforderung, sich der Synthese anzuschließen

Als einzige Argumentationsstruktur gibt die dialektische Argumentation drei Ansichten zu bedenken: These, Antithese und Synthese. Da sie in der Synthese eine neue Position bringt, überrascht sie. Durch ihren dialektischen Dreischritt wirkt sie intellektuell.

Die dialektische Argumentation eignet sich nicht für alle Gespräche. Einige Beispiele aus unterschiedlichen Situationen können die Struktur der Argumentation verdeutlichen und zeigen, wie sie in eine Formulierung gekleidet werden kann.

  • Die Personalverantwortlichen eines Unternehmens beraten, wie sie mehr geeignete Fachkräfte für ihr Unternehmen gewinnen können. Die Diskussion verläuft schleppend. Ein Teilnehmer will einen neuen Ansatz in die Überlegungen bringen und nutzt dafür die dialektische Argumentation.

Der Personaler formuliert seinen Impuls: „Wir sprechen jetzt schon eine geraume Zeit über unsere Rekrutierungsstrategie. Wir haben einiges gehört, was dafür spricht, konventionelle Medien stärker zu nutzen. Wir haben auch einiges gehört, was für den verstärkten Einsatz neuer Medien spricht. Was halten Sie von der Idee: Wir überlassen diesen Schritt der Rekrutierung einem professionellen Dienstleister? Lassen Sie uns diese Möglichkeit einmal genauer betrachten.“

  • Ein Vertreter der Chemieindustrie wendet sich gegen Vorwürfe an seine Branche. Mit einer dialektischen Argumentation will er die Verantwortung abschieben.

Der Lobbyist bemüht sich: „Ich bin dankbar für die offene Kritik am Verhalten der Chemieindustrie. Einige sagen, Schlamperei bei den Unternehmen müssten zu Katastrophen führen. Dass in den Unternehmen nicht geschlampt wird, zeigen nicht zuletzt die Unfallstatistiken. Was wir brauchen, sind vor allem höhere Sicherheitsstandards. Deshalb sollten in den Unternehmen regelmäßig unangekündigte externe Kontrollen durchgeführt werden.“

  • Ein neuer Abteilungsleiter ist mit den Leistungen eines Teils seines Teams äußerst unzufrieden. Er verlangt von der Personalabteilung kompetentere Mitarbeiter. Der Personaler unterbreitet ihm mit einer dialektischen Argumentation einen Vorschlag, wie er die Kompetenz in seiner Abteilung steigern kann.

Der Personaler formuliert seinen Gedanken: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie mit dem Wissen und Können einiger Ihrer Mitarbeiter sehr unzufrieden. Sie brauchen kompetentere Mitarbeiter mit mehr Know-how. Sie wissen aber auch, dass Entlassungen nur schwer durchzusetzen sind. Vielleicht könnten Ihre besseren Mitarbeiter ihr Wissen an die Kollegen weitergeben, wenn Sie entsprechende Tandems bilden. So steigern Sie die Kompetenz in Ihrem Team und brauchen keine neuen Mitarbeiter. Versuchen Sie doch mal, ein solches Konzept für Ihr Team zu entwickeln.“

  • In einer Teambesprechung beschweren sich die Mitarbeiter über die akustische Situation in Ihrem Großraumbüro; sie könnten nicht ungestört mit Kunden telefonieren. Der Bereichsleiter schlägt mit der dialektischen Argumentation eine Lösung vor.

Er beschreibt seinen spontanen Einfall: „Ich sehe die Situation genauso wie Sie: Der direkte Kontakt im Großraumbüro ist wichtig für uns alle. Andererseits müssen Sie mit Ihren Kunden in Ruhe telefonieren können. Womöglich können Akustikelemente den Geräuschpegel auf ein erträgliches Maß reduzieren. Bitte informieren Sie sich und formulieren Sie einen Antrag für unsere Bauabteilung.“

  • Tochter Alexandra will ins Kino gehen, hat jedoch ihr Taschengeld bereits ausgegeben. Sie bittet ihren Vater um einen Vorschuss, der ihn ihr jedoch nicht geben will. Nach einigem Hin und Her schaltet sich die Mutter ein und gibt mit einer dialektischen Argumentation den entscheidenden Impuls für die Lösung.

(Zunächst schaltet sich der jüngste Sohn der Familie mit einem Kompromissvorschlag ein: „Streitet euch doch nicht. Oma sagt immer: ‚Nehmt den goldenen Mittelweg‘. Warum einigt ihr euch nicht auf fünf Euro?“ Einhellig weisen ihn Tochter und Vater zurück mit dem Hinweis, sie würden mit seinem Vorschlag beide unzufrieden bleiben: Die fünf Euro würden für den Kinobesuch nicht ausreichen und blieben gleichwohl ein Vorschuss.)

Die kluge Mutter will das Hin und Her beenden. Sie schlägt nichts Konkretes vor, sondern lenkt mit ihrer Idee die Gedanken von Vater und Tochter: „Ihr streitet nun schon eine halbe Stunde wegen der 10 Euro. Du willst 10 Euro, um ins Kino zu gehen. – Du willst kein Geld herausrücken, weil du nicht zum Schuldenmachen erziehen willst. Überlegt doch mal, was ihr tun könntet, damit ihr beide zufrieden seid. Was kann Alexandra tun, um sich die 10 Euro zu verdienen?“

Die fünf Argumentationsstrukturen – Aufsatz- und Kettenargumentation, berichtigende und ausklammernde Argumentation sowie dialektische Argumentation – unterscheiden sich in ihrer inhärenten Plausibilität und in ihrer Wirkung. Sie eignen sich für überzeugende Gesprächsbeiträge, aber auch für die Steuerung von Gesprächen, für das Formulieren von Texten, für das Gliedern von Präsentationen oder für den Aufbau von Reden.

Peter Hilbert

Quellen

[1] Henry Ford
[2] Die Gegen-Argumente stützen den Atomausstieg
[3] Harald Scherer
[4] Die rhetorische Figur wendet sich schmeichelhaft an die Zuhörer, um ihre Gunst zu erwirken.
[5] George A. Miller
[6] Hellmut Geißner