Farben kombinieren

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Wahrnehmung und Wirkung

Die ganze Welt ist farbig: das Büro mit seiner Einrichtung und den Arbeitsutensilien; das Zuhause mit seinen Möbeln, Gebrauchsgegenständen und Accessoires; die Umgebung mit Häusern, Fahrzeugen und Pflanzen. Farben sind allgegenwärtig: auf Wänden, Decken und Böden, auf Objekten, auf Kleidung, …

Farben lösen Gefühle und Stimmungen aus: Sie können erregen oder beruhigen, sie können Freude oder Ekel auslösen, sie können stimulieren oder entspannen. Farben symbolisieren Empfindungen wie Trauer, Freude und Liebe. Farben signalisieren Bedeutungen: Sie können alarmieren, zu Vorsicht mahnen, auf Gefahr verweisen oder auf Sicherheit.[1]

In ihrem Zusammenwirken entfalten Farben Wirkungen, die – unabsichtlich oder bewusst eingesetzt – das Gemüt, die Gedanken und das Handeln beeinflussen können – zum Beispiel:[2]

  • Durch farbliche Kontraste lassen sich Gegenstände leichter unterscheiden.

 

  • Farbliche Abwechslung und Harmonie schonen die Augen und verringern Ermüdung und Fehlleistungen.

 

  • Farbliche Assoziationen schaffen bessere Einsichten, steigern das Erleben und verringern negative Empfindungen.

 

  • Mit Farben lässt sich Zusammengehörendes zusammenfassen oder Unterschiedliches trennen.

 

  • Farben geben Informationen – etwa durch Raumgliederung oder die Kennzeichnung von Funktionen.

 

  • Farben unterstützen den Aufbau und das Beibehalten körperlicher Energie.

Im Raum

In einem Raum wirken Flächenfarben auf die Stimmung der Menschen, die sich in ihm aufhalten:

  • Die dominanten Farbflächen geben die Grundstimmung an.
  • Die subdominanten Farbflächen variieren oder polarisieren die Grundstimmung.
  • Farbliche Akzente wirken, wenn sie in gesättigten und kleineren Proportionen auftreten und sich von den beherrschenden Farben abheben.[3]
Eine blaue Fläche in gelbem Rahmen etwa wirkt anders als eine gelbe Fläche in blauem Rahmen.

Die quantitativ vorherrschende Farbe – zum Beispiel auf Wänden, Böden, Gegenständen – charakterisiert. Sie kann das Wahrnehmen eines Objekts unterstützen oder abschwächen. Mit mittlerer Sättigung und Helligkeit sind dominierende Farben für das Auge eher angenehm, während leuchtende dominante Farben die Wahrnehmung belasten.

Eine ästhetisch mitführende subdominante Farbe bezieht sich auf die Dominanzfarbe, etwa wenn sie im Farbenkreis benachbart ist. So kann zum Beispiel dominantes Resedagrün ergänzt werden mit subdominanten bläulichen und gelblichen Zusätzen.

Hinweis-, Signal- und Ordnungsfarben – etwa für wichtige Griffe, Knöpfe oder Schalter – sind nur in kleinen Proportionen gut wahrnehmbar. Auch Bilder können Akzente setzen und Aufmerksamkeit erregen.

Nebeneinander in einem Raum beeinflussen Farben die Perspektive: [4] In der Wahrnehmung des Betrachters tritt, vor oder zurück was faktisch
nebeneinander steht, liegt oder hängt:

  • Rotes, Oranges und Gelbes scheinen weiter vorn zu sein.
  • Grünes und Purpurnes erscheinen im Mittelfeld.
  • Helles Zyanblau, mittleres Ultramarinblau und dunkles Blauviolett scheinen weiter hinten zu sein.

Durch Farbgebung lässt sich steuern, was vornehmlich bemerkt werden soll und was nicht – einerseits etwa besondere Objekte, solitäre Möbel oder wertvolle Elemente, andererseits beispielsweise unwesentliche Dinge, unattraktive Gebrauchsgegenstände oder hässliche Versorgungsleitungen. Geschmack und Absicht der gestaltenden Person, Funktionalität der Sache und der Farbton des Umfelds entscheiden das Kolorit.

Farben können, sofern sie sich von ihrer Umgebungsfarbe absetzen, die Beachtung lenken – zum Beispiel bei Türen:

  • Eine orangene Tür weist auf sich hin und ist geeignet für Fluchttüren.
  • Eine schwarze Tür verbietet den Zugang und ist für Fluchtwege ungeeignet.
  • Eine grüne Tür gehört zum Arbeitsprozess.
  • Eine blaue Tür wirkt neutral und erlaubt den Zugang.

Kontraste

Gewollt oder ungewollt können Farbkombinationen Eindrücke hervorrufen, die faszinieren, verwirren, täuschen oder auch verführen.

Zum Beispiel erscheinen in der Abbildung rechts durch das Kon­trastsehen von Schwarz und Weiß die „Kreuzungen“ der weißen „Straßen“ dunkel, wenn die betrachtende Person sie nicht fixiert. Das Weiß in den „Kreuzungen“ ist quantitativ bedeutender als in den Linien und erzeugt ein dunkles Nachbild, das die Gesamtharmonie wieder herstellt.[5]

Farbkombinationen können auch den Farbeindruck verändern. Die Wahrnehmung wird getäuscht durch die Wirkung der Nachbarfarbe. In den Abbildungen unten sind sowohl Rosa als auch Grau auf beiden Abbildungen identisch, verändern aber ihre Wirkung durch den Kontrast zu Gelb beziehungsweise Ultramarinblau.[6] [7]

Mittleres Grau vor grünem Grund wirkt rötlich[8] – zum Beispiel die Platte eines Beistelltischs auf grünem Boden.

 

 

 

Mittleres Grau vor violettblauem Grund wirkt gelblich[9] – zum Beispiel ein grauer Drucker vor einem violettblauen Display.

 

 

 

Mittleres Grau vor purpurnem Grund wirkt grünlich[10] – zum Beispiel ein graues Werkstück auf einer purpurnen Werkbank.

 

 

 

Fleischrosa vor rotem Grund wirkt grau[11] – zum Beispiel ein Stück Fleisch auf einem roten Tuch.

 

 

 

Fleischrosa vor grünblauem Grund wirkt intensivrot[12] – zum Beispiel die Gesichtsfarbe vor einer grünblauen Wand.

 

 

 

Weiß vor purpurnem Grund wirkt gelblich grünlich[13] – zum Beispiel ein Scheinwerfer vor dem purpurnen Abendhimmel.

 

 

 

Weiß vor warmweißem Grund wirkt bläulich-kalt[14] – zum Beispiel ein weißgrundiges Bild auf warmweißer Wand.

 

 

 

Warmweiß vor weißem Grund wirkt orange[15] – zum Beispiel nebeneinander stehende Lampen.

 

 

 

Damit ein Objekt überhaupt wahrgenommen werden kann, muss es nicht bloß ausreichend groß sein. sondern auch einen genügend hohen Kontrast zu seiner Umgebung aufweisen.

Mit Farben lassen sich gewünschte Phänomene intensivieren und unerwünschte mildern, denn Farben können Wirkungen verstärken oder abschwächen.[16]

Wirkung Verstärkung Abschwächung
Hitze Orange, Rot Blau, Blaugrün
Kälte Grünblau-Weiß Orangerot, Braun
Schrille Geräusche Gelb Olivgrün, Graugrün
Dumpfe Geräusche Dunkles Violett Helles Gelbgrün, Orange
Süßer Geschmack Rot, Rosa Grün, Blau
Saurer Geschmack Gelb, Gelbgrün Rot, Purpur
Bitterer Geschmack Braun, Violett Orange, Rosa
Narkotischer Geruch Violett, Braunrot Gelbgrün, Orangegelb
Moderiger Geruch Grünliches Braun Hellblau
Monotonie Grau Bunte Farben
Dunst Graublau kräftiges Orange
Feuchtigkeit Grünliches Blau Sandgelb
Trockenheit Sandgelb, Ocker Blaugrün

 

Beispiel:

Eine Kantine ist mit zwei Lichtfarben ausgestattet: im Thekenteil kalte, im Verzehrteil warme. Die Speisen und Getränke an der Theke erscheinen in einem unangenehmen Blau-Grün-Stich. Schokoladenfarbe wirkt im Weißlicht weniger warmbraun, Gebäck wirkt weniger knusprig, Bier wirkt dünn und die Hautfarbe der Menschen wirkt blass. – Fehlen Rotwerte im Kunstlicht, wirkt das Licht im Ganzen unangenehm grünlich-blau.[17]

Der Eindruck einer Farbkombination kann sich ändern mit der Form, die die Farbe trägt. Zum Beispiel erscheint durch den simultanen Kontrast Grau auf weißem Grund dunkler, auf schwarzem Grund heller. Doch der Eindruck ist abhängig von der Figur: Die aus der harmonischen Gestalt herausgebrochenen Halbringe zeigen den Kontrast sehr deutlich. Die geschlossen gebliebene Form des Kreises überspielt das Phänomen.[18]

Charakter

Mit ihrer Komplementärfarbe bilden Farben eine harmonische Kombination: Komplementärfarben steigern ihre Wirkung wechselseitig[19] – zum Beispiel Orange und Grün, Violett und Orange oder Grün und Violett.

 

 

Auch Farbkombinationen, die im sechsteiligen Farbenkreis jeweils eine Zwischenfarbe überspringen, verstärken die Wirkung der jeweiligen Farbe. Jede Farbe wirkt zusammen mit ihrer übernächsten Farbe im Farbenkreis stärker charakteristisch.[20]

 

Dagegen sind die Nachbarfarben im sechsteiligen Farbenkreis charakterlos.[21] Die Farben solcher Zusammenstellungen liegen zu nahe beieinander, als dass ihr Eindruck bedeutsam werden könnte.[22] Benachbarte Farben wirken unharmonisch – zum Beispiel Blau neben Grün, Violett neben Blau, Rot neben Violett, Orange neben Rot, Gelb neben Orange oder Grün neben Gelb.

Farbfolgen

Treten mehr als zwei Farben nebeneinander auf, entstehen Farbfolgen mit jeweils signifikanter Wirkung durch die aufeinanderfolgende Wahrnehmung.

Anspannend wirkt etwa das Durchschreiten der Farbfolge Weiß-Hellgelb-Orangerot-Dunkelrot-Schwarz oder auch die entsprechende Blickfolge. Zum Beispiel beim Hineingehen in einen Raum auf eine schwarze Tür zu.[23]

Das Durchschreiten der Farbfolge Schwarz-Dunkelviolettblau-Blau-Grünblau-Weiß oder auch die entsprechende Blickfolge wirkt entspannend – zum Beispiel beim Hinausschauen aus einem Fenster.[24]

Nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch am Arbeitsplatz beeindrucken Farben und ihre Kombinationen miteinander das Empfinden und beeinflussen Wohlbefinden und Aufmerksamkeit. Bewusst eingesetzt transportieren das Beabsichtigte und erzeugen die gewünschte Wirkung.

Peter Hilbert

Quellen

[1] Ausführlicher in: Was Farben bewirken
[2], [3][4][5][8], [9][10][11][12][13][14][15], [16], [17][18][23],[24] Heinrich Frieling. Licht und Farbe am Arbeitsplatz
[6] Johannes Pawlik. Theorie der Farbe
[7] Edda Constantini-Röbel
[19][20], [21], Klausbernd Vollmar. Sprache und Macht der Farben
[22] Johann Wolfgang von Goethe