Wer Ohren hat zu hören, der höre
Rhetorische Klangfiguren sind Stilmittel, die beabsichtigte Wirkungen durch den Klang von Worten hervorrufen.
Reim
Der Reim – auch Wortpaar oder Homoioteleuton genannt – verwendet nahe aufeinander folgende Wörter mit gleichlautenden Endsilben; im Gegensatz zur Klangfigur Stabreim. Beispiele:
- „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.
- „… und verschlang die kleine fade Made ohne Gnade. Schade.“[1]
- „Das ist das Verhängnis: Zwischen Empfängnis und Leichenbegängnis nichts als Bedrängnis.“[2]
Eine Variante des Reims ist die Endungsgleichheit – auch Homoioptoton genannt. Die Endungsgleichheit gibt mehreren Wörtern hintereinander durch die Flexionsendungen den gleichen Klang. Beispiele:
- „Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.“
- „Wie gewonnen, so zerronnen.“
- „Wir knicken und ersticken.“[3]
Stabreim
Der Stabreim – auch Alliteration, Homoioarkton oder Homoiopropheron genannt – verwendet nacheinander Wörter, die den gleichen Anlaut haben; im Gegensatz zur Klangfigur Reim. Beispiele:
- „Das Schiff ging mit Mann und Maus unter.“
- „Nach einem halben Jahr entflieht sie bei Nacht und Nebel.“[4]
- „Du hast der Götter Gunst erfahren.“[5]
Halbreim
Der vokalische Halbreim – auch Assonanz genannt – sorgt für die lautliche Übereinstimmung mindestens zweier Vokale in aufeinander folgenden Wörtern oder Wortgruppen. Beispiele:
- „ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso“[6] - „Wie säuseln ach so linde
Wir in den Blüten,
Und lindern heiße Liebe
In kühlen Düften.“[7] - „In des ernsten Tales Büschen
Ist die Nachtigall entschlafen,
Mondenschein muss auch verblühen
Wehet schon der frühe Atem.“[8]
Anspielung
Die Anspielung – auch Allusion genannt – verfremdet eine sprachliche Wendung oder sie wählt Wörter, die gleich klingen, jedoch unterschiedlichen Sinn haben. Sie tritt auch als Wort- und Inhaltsfigur auf. Beispiele:
- „Gelobt sei, was Spaß macht!“[9]
(statt „Gelobt sei, was hart macht.“) - „Lazio Koma trifft auf Hinter Mailand.“
(statt: „Lazio Roma trifft auf Inter Mailand.“) - „Die aus der Barockzeit stammende Kirche ist zu klein. Auch wenn nicht alle reingehen, gehen nicht alle rein.“
Ausruf
Der Ausruf – auch Exclamatio, Emphase oder Emphasis genannt – ruft ein Wort oder eine Sequenz laut aus, um eine starke Empfindung nachdrücklich zu vermitteln. Beispiele:
- „O Zeiten, o Sitten! (O tempora, o mores!)“[10]
- „O traurige Wahrheit!“
- „Menschen! Menschen! Falsche heuchlerische Krokodilsbrut!“[11]
Varianten des Ausrufs sind die dynamische Emphase – bei der beim Sprechen die Stimme entweder lauter oder leiser wird –, die temporale Emphase – bei der das Sprechtempo entweder schneller oder langsamer wird –, die melodische Emphase – bei der die Stimme beim Sprechen entweder höher oder tiefer wird – und die agogische Emphase – bei der sich beim Sprechen der Rhythmus verändert. Eine ähnliche Wirkung erzielt die Pause – vor oder nach einem Wort oder einer Wortgruppe.
Eine weitere Variante des Ausrufs ist der Einschub – auch Interjektion genannt. Der Einschub bringt durch einen Ruf Gefühl zum Ausdruck. Beispiele:
- „Ah!“
- „Igitt!“
- „Au!“
Auch die Anrufung – als Invokation oder Evokation – ist eine Variante des Ausrufs. Mit der Anrufung wird eine höhere Macht angerufen. Beispiele:
- „Gott sei mein Zeuge!“
- „O ihr Himmlischen!“
- „O Gott, du gabest mir Natur!“[12]
Beim Anruf – auch Abwendung oder Apostrophe genannt – wendet sich der Sprecher von seinem Gegenüber ab und ruft feierlich visionäre Gestalten an. Der Anruf ist eine Variante der Anrufung und damit auch des Ausrufs. Beispiele:
- „Besinge mir, Gottheit, den Zorn des Peliden Achilleus!“[13]
- „Alter Freund! Immer getreuer Schlaf! Fliehst du mich auch, wie die übrigen Freunde?“[14]
- „Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein.“[15]
Lautmalerei
Die Lautmalerei – auch Onomatopoiia, Onomatopoesie, Onomatopöie oder Onomatopoiie genannt – malt mit dem Klang eines Wortes seine Bedeutung. Beispiele:
- „Der Bach plätschert durch die Wiesen.“
- „Dampf zischt aus dem Ventil.“
- „So heult es verworren, und ächzet und girrt,
Und brauset und sauset und krächzet und klirrt.“[16]
Eine Variante der Lautmalerei ist der Wohlklang – auch Konsonanz oder Euphonie genannt. Der Wohlklang verwendet Worte mit angenehmem Klang; im Gegensatz zur Klangfigur Missklang. Beispiele:
- „Laue Winde wehen übers Land.“
- „La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu
Wenn die kleinen Babys schlafen
Drum schlaf auch du.“[17] - „Weißt du, wie viel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt?“[18]
Das Gegenteil zum Wohlklang ist der Missklang – auch Dissonanz oder Kakophonie genannt. Der Missklang verwendet Worte mit als unangenehm oder unästhetisch empfundenen Lauten oder mit Lauten, die schlecht auszusprechen sind. Beispiele:
- „Das ist Rex Xerxes.“[19]
- „Hörst du schon wieder diese Hülzi-wülzi-Musik!“
- „Bitte verschone mich mit deiner Schrummtata-Musik!“
Endungsvariation
Die Endungsvariation – auch Polyptoton oder Traductio genannt – wiederholt ein Wort, aber mit einer anderen Flexionsendung, oder mit demselben Wortstamm, aber in einer anderen Wortart. Beispiele:
- „Kein Mensch muss müssen, und ein Derwisch müsste?“[20]
- „Der Schuh ist des Mannes, auch der Hut gehört dem Mann.“
- „Besser als gerührt sein ist sich rühren.“[21]
Klangähnlichkeit
Die Klangähnlichkeit – auch Paronomasie oder Annominatio genannt – ist ein Wortspiel, das Wörter beieinander setzt, die sich im Klang ähneln, aber verschiedene Bedeutung haben; ähnlich wie die Wortfiguren Buchstabendreher und Mehrdeutigkeit. Beispiele:
- „In der Lärche sitzt eine Lerche.“
- „Fragt ihr, zu welcher Seite Euch wenden? Betgenossin sein der Frommen oder Bettgenossin des Großen?“[22]
- „Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg.“[23]
Peter Hilbert
[1] Heinz Erhardt
[2] Erich Kästner
[3] Johann Wolfgang von Goethe
[4] Friedrich Spielhagen
[5] Friedrich Schiller
[6] Ernst Jandl
[7] Friedrich Schlegel
[8] Clemens Brentano
[9] Hermann Schreiber
[10] Cicero
[11] Friedrich Schiller
[12] Friedrich Schiller
[13] Homer
[14] Johann Wolfgang von Goethe
[15] Heinrich von Kleist
[16] Heinrich Heine
[17] Heino Gaze
[18] Wilhelm Hey
[19] Georg Friedrich Händel
[20] Gotthold Ephraim Lessing
[21] Bertolt Brecht
[22] Peter Hacks
[23] Friedrich Schiller
Quellen:
Heinz Lemmermann. Lehrbuch der Rhetorik
Karl-Heinz Göttert. Einführung in die Rhetorik
Bernhard Sowinski. Deutsche Stilistik
Gerhard Lange. Figuren und Tropen
Andreas Müller. Rhetorik
Hans Baumgarten. Compendium Rhetoricum
Hellmut Geißner. Rhetorik
Friedrich Maier. Cicero in Verrem
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http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_rhetorischer_Stilmittel
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