Rhetorische Wortfiguren

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Worte und Wörter sind nicht ganz dasselbe

Rhetorische Wortfiguren sind Stilmittel, die beabsichtigte Wirkungen durch die Wahl der Wörter hervorrufen.

Zerlegung

Zerlegung 1Die Zerlegung – auch Detaillierung oder Distributio genannt – nennt die Bestandteile eines Begriffs, anstatt ihn zu verwenden; ähnlich wie die Satzfigur Inhaltsdefinition. Beispiele:

  • „Die Soldaten des römischen Volks sind gefangen, getötet, vermisst, zerstreut.“[1]
    (statt: „Die Römer erlitten eine totale Niederlage.“)
  • „Zur Feier kamen ausschließlich Kinder und ihre Mütter und Väter.“
    (statt: „Zur Feier kamen ausschließlich Familien.“)
  • „Sie ist verantwortlich für Investor Relations sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.“
    (statt: „Sie ist verantwortlich für die externe Unternehmenskommuni­kation.“)

Eine Variante der Zerlegung ist die wachsende Wortgruppe; vergleichbar mit der Satzfigur des gleichen Satzbaus. Die wachsende Wortgruppe gestaltet in parallelen Sequenzen einer Aufzählung, besonders in Dreiergruppen – als Trikola –, die nächste Sequenz länger als die vorhergehende. Beispiele:

  • „Die Verwaltungen in Bund, Länder und Gemeinden sollen weniger ausgeben.“
  • „Er mag ein Dieb sein, ein Frevler, ein Anführer.“[2]
  • „Möchten Sie Tee, Kaffee oder Apfelsaft?“

Eine weitere Variante der Zerlegung ist die Aufzählung – auch Enumeration genannt. Die Aufzählung ergänzt einen Begriff mit Details. Beispiele:

  • „Die grünen, die blauen, die roten und die gelben Bälle liegen im Korb.“
    (statt: „Die [bunten] Bälle liegen im Korb.“)
  • „Der Spielplatz ist für kleine und große Kinder angelegt.“
    (statt: „Der Spielplatz ist für [alle] Kinder angelegt.“)
  • „Das Buch informiert Sie zu Fischen, Vögeln, Säugetieren, Reptilien und Insekten.“
    (statt: „Das Buch informiert Sie zu [allen] Tieren.“)

Die Variante Beiordnung – auch Hendiadyoin genannt – zerlegt einen Begriff in zwei gleichgewichtige Wörter. Beispiele:

  • „Und lass ihn bitten und betteln, so viel er mag – sag immer nur: ‚Ich kann nicht!‘“[3]
  • „Sie ist glücklich und zufrieden.“
  • „Das behauptet er mit Fug und Recht.“

Die Variante Mehrfachausdruck – auch Pleonasmus genannt – bezeichnen das Gemeinte mit mehreren gleichbedeutenden Worten; vergleichbar mit der Inhaltsfigur Worthäufung. Beispiele:

  • „Bunte Farben zieren die Wand.“
  • „Ein alter Greis sitzt auf der Bank.“
  • „Ich möchte ein kaltes Eis.“

Die Variante Zirkelschluss – auch Tautologie genannt – formuliert einen Satz mit gleichbedeutenden Begriffen; im Gegensatz zur Inhaltsfigur Definition. Beispiele:

  • „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.“
  • „Dieser Rabe ist schwarz.“
  • „Der Kreis ist rund.“

Die Variante Wortverwandtschaft – auch Figura etymologica genannt – verwendet denselben Wortstamm hintereinander in zwei verschiedenen Wortarten; ähnlich wie die Klangfigur der Klangähnlichkeit. Beispiele:

  • „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“
  • „Lassen Sie uns eine Schlacht schlagen.“
  • „Sie will nur das Beste vom Besten.“

Die Variante schmückendes Beiwort – auch Epitheton ornans genannt – ergänzt ein Beiwort, das allfällig in diesem Zusammenhang benutzt wird. Beispiele:

  • „Wenn die liebe Sonne lacht!“[4]
  • „Wir wandern durch duftende Wiesen.“
  • „Der listenreiche Odysseus besiegte die Trojaner.“

Begriffswechsel

Tausch 1Der Begriffswechsel  – auch Tausch des Beziehungsworts, Vertauschung, Hypallage oder Enallage genannt – stellt ein Adjektiv zu einem Beziehungswort, obwohl seine Bedeutung eher zu einem anderen Beziehungswort passt; vergleichbar mit der Wortfigur Scheinwiderspruch. Beispiele:

  • „Das blaue Lächeln seiner Augen brachte sie zum Erröten.“[5]
    (statt: „Das Lächeln seiner blauen Augen brachte sie zum Erröten.“)
  • „Die Mauern des hohen Roms werfen lange Schatten.“
    (statt: „Die hohen Mauern Roms werfen lange Schatten.“)
  • „Dunkel gingen sie durch die schweigende Nacht.“[6]
    (statt: „Schweigend gingen sie durch die dunkle Nacht.“)

Nachtrag

Nachtrag 1Der Nachtrag – auch Epiphrase genannt – ergänzt einen scheinbar beendeten Satz mit einem präzisierenden Nachtrag. Beispiele:

  • „Der Stein ist rot – angemalt.“
  • „Auch ein Kreis hat Ecken, unendlich viele.“
  • „Sie kommt nächste Woche, am Montag.“

Die Variante Zusatz – auch Anesis genannt – ergänzt eine Aussage mit einem – kurzen – Nachtrag, der die Aussage verstärkt, abschwächt oder ins Gegenteil verkehrt. Beispiele:

  • „Ich liebe dich – nicht.“
  • „Dieses Buch enthält viel Gutes und viel Neues – aber das Gute ist nicht neu und das Neue ist nicht gut.“[7]
  • „Der Stil der Darstellung ist durchaus lässig-elegant. Auch an deren Verständlichkeit lässt sich kaum etwas aussetzen. Sogar die eine oder andere gefällige Redefigur findet sich – leider kein nennenswerter Gehalt.“

Auch die Verbesserung – auch Korrektur oder Correctio genannt – ist eine Variante des Nachtrags. Die Verbesserung verwendet ein Wort, nur um es anschließend durch ein treffenderes zu ersetzen; vergleichbar mit der Wortfigur Steigerung. Beispiele:

  • „Das ist gut; nein, sehr gut.“
  • „Es war ein Erfolg – was sage ich – ein Triumph.“
  • „Wir müssen unsere Stimme eindringlich, ja beschwörend erheben.“[8]

Steigerung

Steigerung 1Die Steigerung – auch Klimax oder Gradation genannt – steigert die Bedeutung in aufeinander folgenden Worten, Wortgruppen oder Sätzen vom weniger Wichtigen zum Wichtigeren; vergleichbar mit der Wortfigur Verbesserung. Beispiele:

  • „Wenn du schläfst, wach‘ auf!
    Wenn du aufgestanden bist, setz‘ dich in Bewegung!
    Wenn du in Bewegung bist, lauf!
    Wenn du läufst, flieg herbei!“[9]
  • „Er wusste, wenn man immer geradeaus geht, kommt man nach Tagen, Wochen, Monaten und Jahren an denselben Ort zurück.“[10]
  • „In jeder Fraktion, in jeder Partei gibt es Eifrige, Übereifrige und Allzueifrige.“[11]

Die Variante Gefälle – auch Antiklimax genannt – vermindert die Bedeutung in aufeinander folgenden Worten, Wortgruppen oder Sätzen. Beispiele:

  • „Urahne, Großmutter, Mutter und Kind.“[12]
  • „Und um den Papst zirkulieren die Kardinäle,
    Und um die Kardinäle zirkulieren die Bischöfe,
    Und um die Bischöfe zirkulieren die Sekretäre,
    Und um die Sekretäre zirkulieren die Stadtschöffen,
    Und um die Stadtschöffen zirkulieren die Handwerker,
    Und um die Handwerker zirkulieren die Dienstleute,
    Und um die Dienstleute zirkulieren die Hunde, die Hühner und die Bettler.“[13]
  • „Kinder lachen 400-mal am Tag, Erwachsene 20-mal, Tote gar nicht.“[14]

Die Variante Aufstufung – auch Komparativ genannt – verwendet statt des grammatischen Positivs die erste Steigerungsform. Beispiele:

  • „Ich werde Sie noch besser entlasten.“
  • „Lieber rot als tot.“[15]
  • „Du bist ja noch kleinkarierter als mein Vater!“

Die Variante Höchststufung – auch Superlativ genannt – verwendet statt des grammatischen Positivs die höchste Steigerungsform. Beispiele:

  • „Das ist die derzeit bestmögliche Option.“
  • „Hier sehen Sie das blaueste Blau in Europa.“
  • „Sie erhalten das Produkt zum Tiefstpreis.“

Personifikation

Personifikation 1Die Personifikation – auch Vermenschlichung, Prosopopoiia, Personificatio oder Anthropomorphismus genannt – verbindet Tiere, Sachen oder Begriffe mit mensch­lichen Eigenschaften. Beispiele:

  • „Kunst und Wissenschaft gehen Hand in Hand.“
    (statt: „Kunst und Wissenschaft ergänzen einander.“)
  • „Er hört auf die Stimme seines Gewissens.“
    (statt: „Er richtet sich nach seinem Gewissen.“)
  • „Es kam die Nacht und blätterte gleichgültig in den Bäumen.“[16]

Die Variante Verdinglichung – auch Hypostase genannt – ordnet Personen nichtmenschliche Eigenschaften zu. Beispiele:

  • „Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei.“[17]
  • „Eintracht Frankfurt hat wieder Spielermaterial zugekauft.“
  • „Der Arzt lebt von seinem Patientengut.“

Dopplung

Dopplung 1Die Dopplung – auch Wortverdoppelung, Wortwiederholung, Repetitio, Geminatio, Epanalepse oder Conduplicatio genannt – wiederholt ein Wort oder einen Satzteil; vergleichbar mit der Klangfigur Endungsvariation. Beispiele:

  • „Er gab und gab und gab es dar.“[18]
  • „Dies – und nur dies – habe ich gemeint.“
  • „Wussten Sie schon, wussten Sie schon, dass all dies, wussten Sie schon, dass all dies unserem Kandidaten nichts anhaben kann?“[19]

Die Variante der Wiederaufnahme am Anfang – auch Anapher oder Anaphora genannt – wiederholt ein Wort oder eine Wortgruppe am Anfang aufeinander folgender Sätze, Satzteile oder Wortgruppen. Beispiele:

  • „Geld war sein Streben, Geld war sein einziger Gedanke, Geld sollte ihm alles andere ersetzen.“
  • „Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll.“[20]
  • „O Mutter! Was ist Seligkeit? O Mutter! Was ist Hölle?“[21]

Die Variante der Wiederaufnahme am Ende – auch Schlussdoppelung, Epipher, Epiphora oder Conversio genannt – lässt mehrere Wortgruppen oder Sätze hintereinander gleich enden. Beispiele:

  • „Ich habe Frieden geschlossen, ein Bündnis geschlossen.“[22]
    (Pacem feci, foedus feci.)
  • „Vielleicht haltet ihr uns nicht für Idioten, jedenfalls macht ihr uns zu Idioten.“
  • „Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!“[23]

Die Variante Verflechtung – auch Symploke oder Complexio genannt – kombiniert die Wiederaufnahme am Anfang mit der Wiederaufnahme am Ende. Beispiele:

  • „Die Zeit, die Zeit, lieber Holk – des Menschen guter Engel ist die Zeit.“[24]
  • „Was ist der Toren höchstes Gut? Geld! Was verlockt selbst die Weisen? Geld!“[25]
  • „Da gingen einige Jahre ins Land, da gingen einige Reden ins Land.“[26]

Die Variante Wiederholung – auch Anadiplose genannt – wiederholt das letzte Wort oder die letzte Wortgruppe am Anfang der folgenden Sequenz; vergleichbar mit der Satzfigur Kreuzstellung. Beispiele:

  • „Ha! Wie will ich dann dich höhnen! Höhnen? Gott bewahre mich!“[27]
  • „Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, Wind und Wellen spielen nicht mit seinem Herzen.“[28]
  • „Sein Mantel war aus Eisen, aus Eisen sein Habit.“[29]

Die Variante Umrahmung – auch Kyklos genannt – wiederholt den Anfang eines Satzes am Ende desselben Satzes; vergleichbar mit der Satzfigur Kreuzstellung. Beispiele:

  • „Entbehren sollst du, sollst entbehren.“[30]
  • „Morgen liebe, wer niemals geliebt hat, wer schon geliebt hat, liebe morgen.“[31]
  • „Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!“[32]

Die Variante Bedeutungsvariation – auch Wiederaufnahme oder Diaphora genannt – wiederholt ein Wort oder einen Satzteil und betont den Unterschied der Bedeutung. Beispiele:

  • „Bevor das losgeht, bin ich weg.
    Weg biste nicht, nur drüben.“[33]
  • „Ich musste auf acht Leute achtgeben.“
  • „Wer nichts wird, wird Wirt.“

Umschreibung

Umschreibung 1Die Umschreibung – auch Periphrase genannt – variiert einen Begriff mit einem seiner Merkmale. Beispiele:

  • „Der vierte Bundeskanzler kam zu Besuch.“
    (statt: „Willy Brandt kam zu Besuch.“
  • „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?“[34]
    (statt: „Kennst du Italien?“)
  • „Er warf den Tod auf Hiroshima.“[35]
    (statt: „Er warf eine Atombombe auf Hiroshima.“)

Die Variante Ergänzung – auch Paraphrase genannt – fügt einem Begriff eine nachgestellte Erklärung hinzu. Beispiele:

  • „Sie liebte Fische, die stummen Meeresbewohner.“
  • „Er spielt mit den Kindern, der wilden Horde.“
  • „Sie taucht im Meer, dem salzigen Nass.“

Die Variante Zusatz – auch Aposition genannt – nennt einen Begriff und ergänzt ihn anschließend. Beispiele:

  • „Aurora, Botin und Bringerin goldner Tage!“[36]
  • „Frau Arens, Abteilungsleiterin Personal, trug ein rotes Kleid.“
  • „Ich, der Autor, bin stolz auf den Bericht.“

Die Variante Beschönigung – auch Verhüllung, Hüllwort, Milderung oder Euphemismus genannt – ersetzt einen als unangenehm, peinlich oder schrecklich empfundenen Ausdruck mit einem positiv konnotierten Begriff. Beispiele:

  • „Unsere Preisanpassung ist notwendig.“
    (statt: „Unsere Preiserhöhung ist notwendig.“)
  • „Er ist kräftig.“
    (statt: „Er ist dick.“)
  • „Es gab Kollateralschäden.“
    (statt: Es wurden Zivilisten getötet.“)

Die Variante Erhöhung – auch Majestonym genannt – veredelt einen Wortbestand­teil. Beispiele:

  • „Schönheitskönigin“
  • „Literaturpapst“
  • „Dichterfürst“

Die Variante Negativierung – auch Pejoration, Pejorativum oder Dysphemismus genannt – verwendet abwertende Begriffe oder Schimpfworte. Beispiele:

  • „Hier gibt es viel Ungeziefer.“
    (statt: „Hier gibt es viele Insekten.“)
  • „Die Studenten rotten sich zusammen.“
    (statt: „Die Studenten versammeln sich.“)
  • „Dort sitzt ein Penner.“
    (statt: „Dort sitzt ein Obdachloser.“)

Die Variante Schlagwort – auch Reizwort genannt – bezeichnet einen Sachverhalt oder eine Person mit einem Begriff, der emotional positiv oder negativ belegt ist. Beispiele:

  • „Emanze“
  • „Macho“
  • „Ehre“

Die Variante Namenersatz – auch Antonomasie genannt – umschreibt einen Begriff mit einem Namen oder umgekehrt. Beispiele:

  • „Der Deutsche führt gegen den Russen nach Punkten.“
    (statt: „Der deutsche Boxer führt gegen den russischen nach Punkten.“)
  • „Barbarossa war Kaiser des römisch-deutschen Reiches.“
    (statt: „Friedrich I. war Kaiser des römisch-deutschen Reiches.“)
  • „Er ist ein Judas.“
    (statt: „Er ist ein Verräter.“)

Die Variante Abstraktion verwendet anstelle einer konkreten Bezeichnung einen allgemeineren Begriff. Beispiele:

  • „Die Polizei kam.“
    (statt: „Fünf Polizisten kamen.“)
  • „Bitte geben Sie mir, was Sie geschrieben haben.“
    (statt: „Bitte geben Sie mir Ihren Bericht.“)
  • „Sie studiert an der Uni.“
    (statt: „Sie studiert an der Freien Universität Berlin.“)

Die Variante Anspielung – auch Allusion genannt – verfremdet einen feststehenden Ausdruck; ähnlich der Umschreibung bei den Klang- und Inhalts­figuren.

Die Anspielung kann etwas Allgemeines für etwas Einmaliges verwenden. Beispiele:

  • „Der große Reformator wurde in Eisleben geboren.“
    (statt: „Martin Luther wurde in Eisleben geboren.“)
  • „Der Brautvater eröffnet das Büffet.“
    (statt: „Herr Berens eröffnet das Büffet.“
  • „Auch unser Zentralgestirn wird vergehen.“
    (statt: „Auch unsere Sonne wird vergehen.“

Die Anspielung kann – als Eponomasie – etwas Einmaliges, zum Beispiel eine Person, für etwas Allgemeines verwenden. Beispiele:

  • „Er ist ein Alexander.“
    (statt: „Er ist ein Eroberer.“)
  • „Er ist ein ungläubiger Thomas.“
    (statt: „Er ist ein Skeptiker.“)
  • „Sie ist eine Hydra.“
    (statt: „Sie sollte in Ruhe gelassen werden.“)

Die Anspielung kann – als Konzetto – mit einem geistreich-witzigen Wortspiel glänzen. Beispiele:

  • „In seiner Amtszeit hätte man rechtzeitig auf den Bush klopfen sollen.“
  • „Mit Löschpapier können auch Sie kein Feuer löschen.“
  • „Ich möchte ein Jägerschnitzel, doch ohne den Jäger.“

Eine weitere Variante der Umschreibung ist der Plural der Macht – auch Pluralis maiestatis genannt. Der Plural der Macht setzt das Personalpronomen in die grammatische Mehrzahl, obwohl nur eine Person gemeint ist. Beispiele:

  • „Wie Eure Majestät wünschen.“
    (statt: „Wie Sie wünschen.“)
  • „Wir, der Papst, laden ein.“
    (statt: „Als Papst lade ich ein.“)
  • „Wir erlauben das nicht.“
    (statt: „Ich erlaube das nicht.“)

Die Variante Plural der Bescheidenheit – auch Pluralis modestiae genannt – verwendet für sich selbst das Personalpronomen in der ersten Person Plural. Beispiele:

  • „Wir haben nun die Krümmung des Raums abgehandelt.“[37]
    (statt: „Ich habe die Krümmung des Raums abgehandelt.“)
  • „Wir haben es geschafft.“
    (statt: „Ich habe es geschafft.“)
  • „Unsere Strategie war erfolgreich.“
    (statt: „Meine Strategie war erfolgreich.“)

Übertreibung

Übertreibung 1Die Übertreibung – auch Hyperbel genannt – überspitzt mit deutlich überzogenen Worten; im Gegensatz zur Wortfigur Untertreibung. Beispiele:

  • „Nur dank seines Engagements existiert das Unternehmen noch.“
    (statt: „Er hat sich außerordentlich engagiert.“)
  • „Was Sie sagen, hat null Inhalt.“
    (statt: „Was Sie sagen, hat wenig Inhalt.“)
  • „Wenn es uns nicht gelingt, das Produkt am Markt durchzusetzen, dann laufen wir Gefahr, uns über kurz oder lang auf dem Insolvenz-Friedhof wiederzufinden.“
    (statt: „Wenn wir das Produkt nicht am Markt durchsetzen, ist die Existenz unseres Unternehmens gefährdet.“)

Die Variante Verschmelzung – auch Compositio genannt – übertreibt durch Wortzusammen­setzungen. Beispiele:

  • „Schneckentempo“
  • „Superangebot“
  • „schneeweiß“

Verneinung des Gegenteils

Verneinung 1Die Verneinung des Gegenteils – auch Litotes genannt – umschreibt eine Aussage, indem sie ihr Gegenteil verneint. Beispiele:

  • „Das ist uns nicht schlecht bekommen.“
    (statt: „Das ist uns gut bekommen.“)
  • „Profifußballer verdienen nicht wenig.“
    (statt: „Profifußballer verdienen viel.“)
  • „Das kann nicht schaden.“
    (statt: „Das ist hilfreich.“)

Die Variante Untertreibung – auch Understatement genannt – sagt nicht genau, was sie meint, sondern setzt den Wert der Aussage herab. Beispiele:

  • „Meine Wenigkeit war auch dabei.“
    (statt: „Ich war auch dabei.“)
  • „Das haben Sie ganz gut gemacht.“
    (statt: „Das haben Sie hervorragend gemacht.“)
  • „Vielleicht bin ich ein bisschen zu schnell gefahren.“
    (statt: „Ich fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit.“)

Die Variante Verniedlichung – auch Diminutiv genannt – setzt Begriffe in die Verkleinerungsform. Beispiele:

  • „Jetzt sind wir schon ein Stückchen weiter.“
    (statt: „Jetzt sind wir schon ein Stück weiter.“
  • „Vor dem Hündchen brauchen Sie keine Angst zu haben.“
    (statt: „Vor dem Hund brauchen Sie keine Angst zu haben.“)
  • „Haben ein Minütchen Zeit für mich?“
    (statt: „Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“)

Ausdruck

Ausdruck 1Der Ausdruck verändert die gewohnte Wortwahl.

Der Solözismus produziert grobe sprachliche Fehler, besonders in der syntaktischen Verbindung der Wörter; vergleichbar mit der Wortfigur Mehrfachausdruck sowie mit den Satzfiguren Auslassung und Satzbruch. Beispiele:

  • „Was du wolle?“
    (statt: „Was möchten Sie?“)
  • „Dir nicht verstehen.“
    (statt: „Ich verstehe Sie nicht.“)
  • „Recht haben ich nicht immer tue.“
    (statt: „Ich habe nicht immer recht.“)

Der Jargonwechsel – auch Fremdwörtergebrauch, Jargonismus oder Xenologo­philismus genannt – wechselt überzeichnend in die Umgangs- oder in die Bildungs­sprache. Beispiele:

  • „Ei horsche Se mal, des Se des ibberhaapt saache derfe!“
    (statt: „Hören Sie mal, dass Sie das überhaupt sagen dürfen.“)
  • „Das tangiert mich nur peripher – und nolens volens nur sukzessive.“
    (statt: „Das berührt mich kaum – und mehr oder weniger nur schrittweise.“)
  • „Mit Irium werden Zähne weißer.“
    (statt: „Mit unserem erfundenen Wort werden Zähne weißer.“)

Der Vulgarismus verwendet Wörter der Vulgär- oder Fäkalsprache. Beispiele:

  • „Er geht kacken.“
    (statt: „Er hat Stuhlgang.“)
  • „Der Kragenbär, der holt sich munter einen nach dem anderen runter.“[38]
    (statt: „Der Kragenbär onaniert munter und oft.“)
  • „Ich muss mal aufs Scheißhaus.“
    (statt: „Ich muss mal zur Toilette.“)

Die Wortneubildung – auch Neologismus genannt – kreiert ein neues Wort. Beispiele:

  • „Ihre Beziehung ist offensichtlich bigamig.“
    (statt: „Sie hat offensichtlich sexuelle Beziehungen mit zwei Partnern.“)
  • „Sie leidet offensichtlich unter Logorrhoe.“
    (statt: „Sie spricht außerordentlich viel.“)
  • „Selberlebensbeschreibung“[39]
    (statt: „Autobiografie“)

Das Kofferwort – auch Montage, Vermischung oder Kontamination genannt – kreiert ein neues Wort, indem es verschiedene Begriffe miteinander kombiniert. Beispiele:

  • „Teuro“
    (aus: „Euro“ und „teuer“)
  • „Sie fährt in Kurlaub.“
    (aus: „Kur“ und „Urlaub“)
  • „Jein.“
    (aus: „ja“ und „nein“)

Die Mehrdeutigkeit – auch Homonym, Polysemie oder Ambiguität genannt – verwen­det ein Wort, das verschiedene Bedeutungen hat. Beispiele:

  • „Schauen Sie in den Spiegel.“
    (statt: „Schauen Sie in das Magazin.“ oder „Schauen Sie sich selbst an.“)
  • „Sie schneidet gut ab.“
    (statt: „Sie bekommt gute Noten.“ oder „Sie geht gut mit dem Messer um.“)
  • „Dieser Bereich wird zur Verhütung von Straftaten durch die Polizei videoüberwacht.“[40]
    (statt: „Dieser Bereich wird – zur Verhütung von Straftaten durch die Polizei – videoüberwacht.“ oder „Dieser Bereich wird – zur Verhütung von Straftaten – durch die Polizei videoüberwacht.“)

Die Unterscheidung – auch Distinctio genannt – wiederholt ein mehrdeutiges Wort – ein Homonym –, das dann seine zweite Bedeutung einnimmt. Beispiel:

  • „Es gibt ja Leute, die betrachten nur politische Lieder als politisch.“[41]
  • „Nichts ist leerer als ein leerer Lehrer.“
  • „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“[42]

Die Gleichbedeutung – auch Synonym oder Synonymie genannt – verwendet Wörter mit gleicher Bedeutung; vergleichbar mit der Wortfigur Mehrdeutigkeit. Beispiele:

  • „Dies alles verachtest und missachtest du.“[43]
  • „Jedes andere Mädchen würde sich freuen, wenn sein Liebster, Bräutigam, Verlobter – nenn es, wie du willst – eine solche Einladung bekommt.“[44]
  • „Der Brief geht an ihre Anschrift, an ihre Adresse.“

Die Häufung – auch Congeries genannt – verwendet mehrere Begriffe gleicher Bedeutung. Beispiele:

  • „Das will ich ansehen, betrachten, mustern, prüfen.“
  • „Sie wollen töten, morden, erschlagen, umbringen.“
  • „Es entstand ein Gefühl von Freude, Glück, Fröhlichkeit, Heiterkeit.“

Die Ungeläufigkeit  – auch Archaismus oder Anachronismus genannt – ersetzt einen gängigen Ausdruck durch einen veralteten. Beispiele:

  • „Er holte sich sein Wams.“
    (statt: „Er holte sich seine Jacke.“)
  • „Das müssen wir jetzt nicht aufs Tapet bringen.“
    (statt: „Das müssen wir jetzt nicht zur Diskussion bringen.“)
  • „Sie ist mir abhold.“
    (statt: „Sie mag mich nicht.“)

Das Ebenmaß – auch Konzinnität oder Prosodie genannt – verwendet einen gefälligen, harmonischen Stil, der auch den Wohlklang der Worte beachtet. Beispiele:

  • „Ein alter Löwe lag kraftlos vor seiner Höhle und erwartete den Tod.“[45]
  • „Erst kommt der Papa, dann kommt die Mama, dann kommen die klitzekleinen Kinderlein.“
  • „O schaurig ist’s übers Moor zu geh‘n,
    wenn es wimmelt vom Heiderauche.“[46]

Widersprüchlichkeit

Widerspruch 1Die Widersprüchlichkeit – auch Widerspruch, widersprüchliche Verbindung oder Oxymoron (spitz und stumpf) genannt – verbindet Worte miteinander, deren Bedeutungen sich gegenseitig ausschließen oder einander widersprechen; vergleichbar mit der Inhaltsfigur Bildbruch. Beispiele:

  • „Nein, das andere Rechts!“
  • „Indem sie schweigen, schreien sie.“[47]
  • „Zu meinem Bruder empfinde ich eine Hassliebe.“

Die Variante unmittelbarer Widerspruch – auch Contradictio in adiecto genannt – verbindet Eigenschaftswort und Hauptwort mit widersprüchlichen Bedeutungen. Beispiele:

  • „Sie ist eine eingefleischte Vegetarierin.“
  • „Mein Onkel ist ein alter Jüngling.“
  • „So entsteht ein fünfeckiger Kreis.“

Die Variante unzulässige Verbindung – auch semantisches Zeugma genannt – verbindet Satzglieder, deren Bedeutungen nicht zusammengehören. Beispiele:

  • „Ich will Blumen und Tränen auf Ihr Grab streuen.“
  • „Nimm dir Zeit und nicht das Leben!“
  • „Ich kenne einen kroatischen Koch, der serbische Bohnensuppe kocht.“

Die Variante Scheinwiderspruch – auch Paradoxon oder Paradox genannt – gibt Informationen, die sich auf dem ersten Blick oder nach gängiger Meinung zu widersprechen scheinen, die aber nach kurzem Nachdenken einen Sinn ergeben; vergleichbar mit der Inhaltsfigur Überraschung. Beispiele:

  • „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“
  • „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“[48]
    „Es ist merkwürdig, wie wenig im Ganzen die Erziehung
  • verdirbt.“

Die Variante Grundwort – auch Simplex pro compositio genannt – ersetzt ein zusammengesetztes Wort – ein Kompositum – durch das Grundwort. Beispiele:

  • „Dort fährt eine Maschine mit Hänger.“
    (statt: „Dort fährt eine Zugmaschine mit Anhänger.“)
  • „Eine Bombe zerstörte Nagasaki.“
    (statt: „Eine Atombombe zerstörte Nagasaki.“)
  • „Die Bahn kommt.“
    (statt: „Die Straßenbahn kommt.“)

Wortspiel

Wortspiel 1Das Wortspiel verwendet Worte spielerisch und witzig, die sich aus deren verschiedenen Bedeutungen ergeben; vergleichbar mit der Wortfigur Mehrdeutigkeit sowie der Klangfigur Klangähnlichkeit. Beispiele:

  • „Unbiegsam sei sein Wille, aber biegsam sein Rücken.“[49]
  • „Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt. Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Würden die Arbeiter etwas unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten.“[50]
  • „Wir fürchten keine Verhandlungen, aber wir werden niemals aus Furcht verhandeln.“[51]

Die Variante Buchstabendreher – auch Wortsilbentausch genannt – vertauscht anlautende Konsonanten, Vokale oder Silben zusammengehörender Wörter. Beispiele:

  • „Hauptpreis ist ein Paar kopflose Schnurhörer.“
    (statt: „Hauptpreis ist ein Paar schnurlose Kopfhörer.“)
  • „Wechstaben verbuchseln kommt oft vor.“
    (statt: „Buchstaben verwechseln kommt oft vor.“)
  • „Somatentaft zum Bleistift.“
    (statt: „Tomatensaft zum Beispiel.“)

Die Variante Bedeutungsvorwegnahme – auch semantische Vorwegnahme, semantische Prolepse oder Antizipation genannt – nimmt mit dem Attribut eines Wortes eine Eigenschaft vorweg, die durch die Handlung erst entsteht. Beispiel:

  • „Bekränze dir dein festlich Haar.“[52]
    (statt: „Bekränze dir dein Haar, damit es festlich wird.“)
  • „Der vollendete Bericht erlag seinem Telefonat.“
    (statt: „Wegen seines Telefonats hatte er den Bericht nicht vollendet.“)
  • „Das sind blühende Landschaften, die wir uns vorstellen.“
    (statt: „Wir stellen uns blühende Landschaften vor.“

Die Variante Abwechslung – auch Variatio genannt – vermeidet Wiederholungen, indem sie Begriffe umschreibt. Beispiel:

  • „Die gebürtige Münchenerin verbrachte ihre Jugend in der Bayern­metropole und kehrte im Alter in die weißblaue Landeshauptstadt zurück.“
  • „Der oberste olympische Gott Zeus, Sohn des Titanenpaares Kronos und Rhea, Sieger über die Titanen, war Bruder von
  • Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon.“
    „Sie läuft hin, hüpft zurück, springt wieder hin.“

Peter Hilbert

[1] Cicero
[2] Cicero
[3] Pietro Aretino
[4] Oliver Kalkove
[5] Heinrich Federer
[6] Vergil
[7] Gotthold Ephraim Lessing
[8] Kurt Georg Kiesinger
[9] Cicero
[10] Peter Bichsel
[11] Kurt Georg Kiesinger
[12] Gustav Schwab
[13] Bertolt Brecht
[14] Eckhart von Hirschhausen
[15] John Fitzgerald Kennedy
[16] Rainer Maria Rilke
[17] Jakob van Hoddis
[18] Konrad von Würzburg
[19] Günter Bruno Fuchs
[20] Johann Wolfgang von Goethe
[21] Gottfried August Bürger
[22] Plautus
[23] Friedrich Nietzsche
[24] Theodor Fontane
[25] Johann Wolfgang von Goethe
[26] Wolf Biermann
[27] Friedrich Schiller
[28] Johann Wolfgang von Goethe
[29] Peter Hacks
[30] Johann Wolfgang von Goethe
[31] Aus Pervigilium Veneris (Nachtfeier der Venus)
[32] William Shakespeare
[33] Günter Grass
[34] Johann Wolfgang von Goethe
[35] Marie Luise Kaschnitz
[36] Friedrich Baron de la Motte Fouqué
[37] Albert Einstein
[38] Robert Gernhardt
[39] Jean Paul
[40] Polizeipräsidium Westhessen
[41] Georg Kreisler
[42] Wilhelm Busch
[43] Cicero
[44] Heinrich Böll
[45] Gotthold Ephraim Lessing
[46] Annette von Droste-Hülshoff
[47] Cicero
[48] Sokrates
[49] Georg Weerth
[50] Floh de Cologne
[51] John Fitzgerald Kennedy
[52] Friedrich Schiller

Quellen:

Heinz Lemmermann. Lehrbuch der Rhetorik
Karl-Heinz Göttert. Einführung in die Rhetorik
Bernhard Sowinski. Deutsche Stilistik
Gerhard Lange. Figuren und Tropen
Andreas Müller. Rhetorik
Hans Baumgarten. Compendium Rhetoricum
Hellmut Geißner. Rhetorik
Friedrich Maier. Cicero in Verrem
dtv-Lexikon
Duden. Newsletter
http://de.academic.ru
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_rhetorischer_Stilmittel
www.li-go.de